Angehörige der revolutionären Miliz in Petrograd im März 1917 anläßlich der russischen Februarrevolution

12. März 1917 - Bürgerlich-liberale Übergangsregierung in Russland

Stand: 12.03.2017, 00:00 Uhr

23. Februar 1917 nach russischem Kalender, 8. März 1917 nach westlichem Kalender: Den Frauen der Arbeiter von Petrograd reicht es, sie protestieren. Es ist der dritte Winter im Ersten Weltkrieg. Lebensmittel und Heizmaterial gibt es kaum mehr. Die Frauen aus dem Arbeiterstadtteil Wyborg schlagen auf ihre leeren Töpfe. Auf dem Weg in die Innenstadt müssen sie den Fluss Newa überqueren. Auf der Mitte der Brücke wird die Hungerdemonstration von Kosaken gestoppt.

Eine Konfrontation scheint unausweichlich. Doch dann löst sich aus dem Demonstrationszug eine Frau und übergibt dem Kosakenoffizier eine rote Nelke. Er akzeptiert die Geste, der Schießbefehl bleibt aus. Das ist für den Historiker Manfred Hildermeier von der Universität Göttingen der entscheidende Wendepunkt: Soldaten stellen sich an die Seite der Demonstrantinnen. Dadurch wird die Aktion der Frauen zum Auftakt eines Geschehens, das die Welt verändert.

Rebellion gegen die Monarchie

Noch regiert Zar Nikolai II. in Russland. Nach der Revolution von 1905 hat er ein Parlament eingesetzt. Die von Adel und Grundbesitzern gewählte Duma ist aber kein stabiler Faktor. Sie ist mehrmals aufgelöst worden. Während der Landadel sein feudales Leben aufrechterhält, fordern die Arbeiter den Acht-Stunden-Tag und die Bauern eigenen Boden. Vor diesem Hintergrund verwandelt sich der Protest der Petrograder Arbeiterfrauen in eine Rebellion, die sich gegen die Monarchie richtet.

Zehntausende schließen sich den Aufständischen an. Auch in Moskau wird demonstriert. Hunderte Menschen kommen ums Leben. Am 12. März 1917 handelt die Duma und bildet eine bürgerlich-liberale Übergangsregierung. Der Zar dankt am 16. März ab. "Russland befindet sich im März/April auf dem Weg zu einer parlamentarischen Demokratie", sagt Professor Hildermeier. Das macht den Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands, Wladimir Iljitsch Lenin, unruhig. Er wohnt in Zürich im Exil und will "die kapitalistischen Minister des Februarregimes" stürzen.

Deutschland unterstützt Lenin

Lenin findet Verbündete - ausgerechnet unter deutschen Politikern und Bankiers. Diese hoffen, der Revolutionär könne Russland soweit destabilisieren, dass das Land zu einem Separatfrieden mit Deutschland bereit ist. Das wäre die einzige Chance für einen deutschen Sieg an den westlichen Fronten. Deshalb ermöglicht der deutsche Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg die Rückkehr Lenins in einem plombierten Zug. Mit seiner Ehefrau Nadeschda Krupskaja und seiner Geliebten Inessa Armand reist er von der Schweiz über Deutschland, Schweden und Finnland nach Petrograd. Seine Ankunft am 2. April 1917 verändert Russlands Lage schlagartig.

In seinen "Aprilthesen" fordert Lenin, alle Macht an die Arbeiterräte, die sogenannten Sowjets, zu übertragen. Außerdem solle der Krieg beendet, die Großgrundbesitzer enteignet, die Banken verstaatlicht und die Industrie kontrolliert werden. Seine - immer noch - sozialdemokratische Partei folgt ihm. Er hat ihr den Beinamen "Bolschewiki" ("Mehrheit") gegeben.

Novemberrevolution und Bürgerkrieg

Die Übergangsregierung macht unterdessen Fehler: Sie beendet den Krieg nicht und führt keine Bodenreform durch. Im September entschließt sich Lenin, den Umsturz zu wagen. Am 7. November 1917 bringt der von Leo Trotzki organisierte Putsch die Bolschewiki an die Macht. Lenin ruft die Räterepublik aus. Seine Partei benennt er in "Kommunistische Partei" um. Im März 1918 handelt er mit Deutschland den Frieden von Brest-Litowsk aus.

Die Revolution ist aber noch lange nicht am Ziel. Die Bolschewiki haben viele Feinde, im Frühjahr 1918 beginnt ein Bürgerkrieg. "Es sollen einschließlich Vertreibungen und einer fürchterlichen Hungersnot am Ende dieses Bürgerkrieges zwischen neun und zehn Millionen Menschen umgekommen sein", sagt Professor Hildermeier.

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