Europäisches Parlament in Straßburg

Stichtag

9. Januar 2001 - EU-Richtlinie für öffentliche Aufträge in Kraft

Das Tiefbauamt Dortmund braucht neun neue Lastwagen, genauer gesagt acht LKW mit Kippladefläche und einen Kastenwagen. Die Anforderung landet auf dem Schreibtisch von Klaus Oesterling, dem Leiter des Zentralen Vergabeamtes der Stadt. Jedes Jahr ordert seine Behörde Waren und Dienstleistungen im Wert von rund 130 Millionen Euro für die Kommune.

Zur Beschaffung der Lastwagen kann Oesterling nicht einfach Angebote zu Modellen einholen, die das Tiefbauamt am liebsten hätte. Die Kosten werden insgesamt etwa 400.000 Euro betragen und damit einen von der Europäischen Union festgelegten Schwellenwert überschreiten. Deshalb muss Oesterling den Auftrag europaweit ausschreiben. So bestimmt es eine EU-Richtlinie zur Vergabe öffentlicher Aufträge, die seit dem 9. Januar 2001 auch in Deutschland Gesetzeskraft hat.

Chancengleichheit auf Europas Binnenmarkt

Mehrere hundert Milliarden Euro gibt die Öffentliche Hand jährlich für Beschaffungen aus. Ganz gleich, ob Straßen geteert, Feuerwehren ausgestattet, Behörden-Software installiert oder eine Uni-Kantine betrieben werden soll: Ohne die Vergabeverordnung geht nichts. Was nach typischer EU-Regelungswut klingt, soll Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit fördern; schließlich wird alles mit Steuergeldern bezahlt. "Außerdem sollen Gleichbehandlung, Transparenz und Diskriminierungsfreiheit im Europäischen Binnenmarkt sichergestellt werden", erläutert Amtsleiter Oesterling.

Regeln für das öffentliche Auftragswesen gibt es in Deutschland bereits seit 90 Jahren. Inzwischen bestimmt ein ganzer Wust an Vorschriften, wie Vater Staat einzukaufen hat, so etwa das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Derzeit arbeiten Experten an der x-ten Reform, um den Bestimmungsdschungel zu lichten. "Daran jedoch", so Klaus Oesterling, "fehlt mir der Glaube, ehrlich gesagt." Die Ausschreibung für die Fahrzeuge des Tiefbauamtes muss er vorschriftsgemäß in allen Online-Vergabeportalen der EU, des Bundes, der Länder und der Stadt Dortmund veröffentlichen. Interessierte Firmen haben dann 40 Tage Zeit, ihre Angebote einzureichen.

Kritik an Billig-Offerten

Uwe Walter liefert keine Lkw. Ihn interessieren frische Anstriche in städtischen Gebäuden. Der Dortmunder Malermeister beteiligt sich deshalb regelmäßig an öffentlichen Ausschreibungen, obwohl ihn der bürokratische Aufwand viel Zeit kostet. Für jedes Angebot seien etliche Formulare auszufüllen und Nachweise zu erbringen, klagt Walter. "Absicherungs-Bürokratismus" nennt das der Handwerksmeister und fragt sich, wie dennoch Mitbewerber zum Zuge kommen können, deren Billigangebote offenbar kaum mit der Verpflichtung zu tariflicher Bezahlung vereinbar sind. Walters Kritik ist nicht die einzige, die sich an öffentlichen Vergabeverfahren entzündet.

So fordern Umwelt- und Menschenrechtsgruppen von Bund, Ländern und Kommunen, nur nachweislich fair produzierte Waren einzukaufen. "Billig" allein dürfe nicht den Ausschlag geben. Das Verbot von Kinderarbeit und Schutzrechte für Arbeitnehmer in den Herstellerländern müssten ebenso kontrolliert werden. Damit muss sich Klaus Oesterling bei der Ausschreibung für die neun LKW nicht beschäftigen. Von drei Anbietern erhalten zwei nach Ablauf der Bieterfrist den Zuschlag. Auch für den abgelehnten Bewerber besteht noch eine Chance. Zehn Tage hat er Zeit, bei einer neutralen Prüfstelle gegen die Entscheidung vorzugehen. In diesem Fall wird keine Beschwerde eingelegt. Drei Monate nach dem Start des Vergabeverfahrens kann Dortmunds Chefeinkäufer die Lastwagen für das Tiefbauamt bestellen.

Stand: 09.01.2016

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