Wasserstoff-Hybridkraftwerk in Prenzlau

25. Oktober 2011 - Weltweit erstes Wasserstoff-Hybridkraftwerk geht in Betrieb

Stand: 25.10.2016, 00:00 Uhr

Wenn kein Lüftchen weht, stehen die Turbinen von Windkraftanlagen still. Laufen sie aber auf vollen Touren, produzieren sie oft mehr Strom, als ins Netz eingespeist werden kann. Die Speicherung dieses Energieüberschusses, um Strom auch bei Flaute konstant bereitzustellen zu können, ist das Hauptproblem bei der effizienten Nutzung erneuerbarer Energien.

Ein in der Welt einzigartiges Hybridkraftwerk im brandenburgischen Prenzlau soll den Beweis liefern, dass auch regenerative Energien grundlastfähig sind. Die Formel der innovativen Kombi-Anlage lautet:  Wind + Biogas + Wasserstoff als Zwischenspeicher = jederzeit Strom + Wärme + Mobilität.

Wasserstoff – viel Power auf sehr kleinem Raum

Zum Baubeginn 2009 kommt Kanzlerin Angela Merkel (CDU) persönlich in die heimische Uckermark. Mit Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) versenkt sie eine Wasserstoffflasche im Grundstein des Kraftwerks, das sie als "qualitativen Sprung" und "Lösung für die Zukunft" lobt. Als studierte Physikerin ist Merkel überzeugt: "Viele werden von diesem Kraftwerk etwas lernen, das uns die Weiterentwicklung in den verschiedenen Bereichen von Wärme über Antrieb zu Strom ermöglicht." 21 Millionen Euro kostet das Pilotprojekt, das die örtliche Enertrag AG gemeinsam mit den Energiekonzernen Total und Vattenfall und der Deutschen Bahn betreibt. Drei Windräder und eine Biogasanlage werden dazu am Rand von Prenzlau errichtet.

Das Herzstück des Hybridkraftwerks, der sogenannte Elektrolyseur, ist eine Enertrag-Eigenentwicklung. Er nutzt überschüssigen Windstrom, um aus Wasser Wasserstoff zu gewinnen, ein energiereiches Gas mit großen Vorzügen, wie Kraftwerksleiter Sven Pyka erklärt: "Wasserstoff kann man enorm komprimieren und so sehr viel Energie auf sehr kleinem Raum speichern. Wasserstoff ist die Speichermöglichkeit für erneuerbare Energien." Beim erfolgreichen Start des Hybridkraftwerks durch Ministerpräsident Platzeck am 25. Oktober 2011 habe er aber doch Herzklopfen gehabt, gesteht Pyka: "Wir hatten das wirklich vorher nicht getestet."

"Windgas" zum Heizen und Kochen

Die drei Windräder der Anlage liefern sechs Megawatt Strom, der wie das aus Mais erzeugte Biogas an ein Blockheizkraftwerk in Prenzlau geht. Zahlreiche Haushalte der Stadt werden von dort mit Elektrizität und Wärme versorgt. Ist zu viel Windstrom im Angebot, startet die Wasserstoffproduktion per Elektrolyseur. Noch aber mangelt es Enertrag an genügend Abnehmern. Seit Ende 2014 wird der Wasserstoff deshalb ins Erdgasnetz eingespeist. Als "Windgas" bietet ihn der alternative Energieversorger Greenpeace Energy seinen Kunden zum Heizen und Kochen an. Das Hybridkraftwerk kann allerdings nicht den gesamten eigenproduzierten Wasserstoff einspeisen, da dem Erdgas maximal zwei Prozent zugemischt werden dürfen.

Allein durch den Windgas-Verkauf ins Erdgasnetz arbeite das Kraftwerk aber bereits kostendeckend, sagt Enertrag-Vorstandschef Jörg Müller. "Woran es wirklich noch fehlt, ist der Absatz an Tankstellen." Denn Müller will nicht nur Strom und Wärme liefern, sondern auch die Mobilität revolutionieren. Mit dem Wasserstoff, den der Elektrolyseur in einer Stunde produziert, kann ein Auto 1.100 bis 1.400 km weit fahren. Doch die Automobilbranche hinkt hinterher, gerade erst sind die ersten Serienwagen mit Brennstoffzellen in Serie gegangen - zu Preisen von 60.000 Euro aufwärts. Dennoch beurteilt Müller die Zukunftschancen der Prenzlauer Pilotanlage optimistisch: "Es ist ein politisches Projekt mit der Botschaft: Wir können mit erneuerbarer Energie tatsächlich eine vollständige Energieversorgung sicherstellen."

Programmtipps:

Auf WDR 2 können Sie den Stichtag immer gegen 9.40 Uhr hören. Wiederholung: von Montag bis Samstag um 18.40 Uhr. Der Stichtag ist nach der Ausstrahlung als Podcast abrufbar.

"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 25. Oktober 2016 ebenfalls an die Eröffnung des Hybridkraftwerks Prenzlau. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.

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