Erich Mielke, ehemaliger Chef des DDR-Staatssicherheitsdienstes, vor Gericht in Berlin am 18.10.1993

26. Oktober 1993 - Erich Mielke wegen Mordes verurteilt

Stand: 26.10.2018, 00:00 Uhr

Am 9. August 1931 findet in Berlin ein Volksentscheid zur Auflösung des Preußischen Landtags statt. Die Initiative des republikfeindlichen "Stahlhelms", einem Zusammenschluss von Kriegsteilnehmern, zielt gegen die sozialdemokratische preußische Regierung. Unterstützt wird das Begehren von der NSDAP und schließlich auch der KPD.

Die Stimmung ist gereizt: Am Vorabend ist in Berlin-Mitte ein Arbeiter von einem Polizisten erschossen worden - auf dem Bülowplatz. Die Polizei ist für ihr brutales Auftreten berüchtigt.

Urteil gegen Erich Mielke (am 26.10.1993)

WDR 2 Stichtag 26.10.2018 04:13 Min. Verfügbar bis 23.10.2028 WDR 2


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Racheakt an Polizisten

An Häuserwänden tauchen danach Losungen auf: "Für einen erschossenen Arbeiter fallen zwei Schupo-Offiziere!!! Rot Front". Der Rote Frontkämpferbund ist ein Verband der KPD.

Nun sind erneut Polizisten auf dem Bülowplatz unterwegs. Zwei von ihnen überleben die Streife nicht: Paul Anlauf und Frank Lenk, beide Sozialdemokraten, werden durch Schüsse getötet. Es kommt zu einem Tumult. Die Polizei schießt auf jeden Verdächtigen, auch auf Kinder.

Nazi-Urteil gegen Flüchtigen

Einer der Tatverdächtigen kann sich absetzen: Der Jungkommunist Erich Mielke flieht in die Sowjetunion. Er soll sich gemeldet haben, als ein hochrangiger KPD-Funktionär Freiwillige für die Polizistenmorde suchte.

Wer tatsächlich zum Mordkommando gehört hat, ermitteln die Justizbehörden der Weimarer Republik nicht. Erst die Nationalsozialisten klären den Fall angeblich auf. 1934 werden in Berlin 15 Angeklagte wegen der Tat verurteilt, drei davon zum Tode. Für die Richter ist klar: Auch der flüchtige Mielke gehört zu den Tätern.

Karriere in der DDR

Nach dem Zweiten Weltkrieg erlässt das Amtsgericht Berlin-Mitte einen Haftbefehl gegen Mielke. In Ostberlin wird er auf Betreiben der SED gleich wieder außer Kraft gesetzt. Die sowjetische Besatzungsmacht beschlagnahmt die Akten.

Mielke macht Karriere in der DDR und ist von 1957 bis 1989 Minister für Staatssicherheit. Nach dem Mauerfall wird Mielke 1990 verhaftet. 1992 beginnt gegen ihn der Prozess wegen der beiden Polizistenmorde. Am 26. Oktober 1993 fällt das Urteil: sechs Jahre Haft.

Lebenslauf als Beleg

Die Richter stützen sich auf einen handschriftlich verfassten Lebenslauf, der aus Moskauer Archiven stammt. Darin hat Mielke geschrieben: "Als letzte Arbeit erledigten noch ein Genosse und ich die Bülowplatz-Sache."

Mielke, der die Tat vor Gericht bestritten hat, sitzt mehr als zwei Drittel der Strafe ab. Ende 1995 wird er aus der Haft entlassen, im Alter von 88 Jahren. Knapp fünf Jahre später stirbt er.

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