Venedig: Campanile di San Marco stürzt in sich zusammen

14. Juli 1902 - Der Campanile di San Marco stürzt ein

Stand: 14.07.2017, 00:00 Uhr

Ein Riss in der nordöstlichen Mauerecke des Campanile di San Marco lässt Anfang Juli 1902 Schlimmes erahnen. Als sich der kleine Spalt auf der Höhe des Dachs immer weiter ausbreitet, wird zunächst der Turm, dann der ganze Markusplatz gesperrt. Venedig bereitet sich auf die Katastrophe vor.

Diese trifft die Stadt am 14. Juli 1902 morgens um kurz vor zehn: Das Wahrzeichen der Stadt sackt mit einem ohrenbetäubenden Knall in sich zusammen. "Die Grundfesten hatten nachgegeben", berichtet die Londoner "Times" einen Tag später.

Einsturz des Campanile in Venedig (am 14.07.1902)

WDR 2 Stichtag 14.07.2017 04:15 Min. Verfügbar bis 12.07.2027 WDR 2


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Goethe und Galileo im Bann des Turms

Ein riesiger Berg Schutt bedeckt den Markusplatz. Fast schon ein Wunder, dass niemand verletzt wird. Und noch etwas bewegt die Gemüter: Der goldene Engel Gabriel, der von der Dachspitze aus seit Jahrhunderten die Stadt beschützt, landet genau vor dem Haupttor der Basilika.

Noch am Einsturztag beschließen die Venezianer den Wiederaufbau ihres "Paron de Casa", des Hausherrn der Stadt. Ein Leben ohne den Campanile ist undenkbar. Schließlich beherrscht der Turm die Stadt, vermittelt den Einwohnern ein Gefühl der Vollkommenheit. Bei gutem Wetter reicht der Blick von der Spitze bis zu den Alpen.

Hier oben demonstriert Galileo Galilei Anfang des 17. Jahrhunderts sein selbst entwickeltes Fernrohr und Goethe erblickt vom Markusturm zum ersten Mal das Mittelmeer.

Auf Sand gebaut

Entstanden ist der Campanile di San Marco aus den Ursprüngen eines einfachen Wachturms aus dem neunten Jahrhundert. "In Venedig kann man nur schwer in die Höhe bauen, denn die Stadt steht auf sandigem Grund", erklärt Erzdiakon und Touristenführer Antonio Meneguolo die schwierige Statik. Das knapp einhundert Meter hohe Bauwerk muss mit zahlreichen Pfählen gestützt werden.

Campanile von San Marco in Venedig.

"Paron de Casa"

"Dieser Turm war ursprünglich ganz profan ohne Glocken. Er war wie ein Riesenleuchtturm, ein Wegweiser für Schiffe und Reisende", sagt Meneguolo. Erst im 16. Jahrhundert bekommt der Markusturm sein Spitzdach und die Glockenstube. Nun wird der markante Backsteinbau mit dem goldenen Engel auf dem Dach zum Vorbild für zahlreiche Türme weltweit, von Bukarest bis nach Las Vegas.

Zehnjähriger Wiederaufbau

Im Laufe der Jahrhunderte muss der Campanile di San Marco einiges aushalten: Kanonen im Krieg, Salutschüsse im Frieden, Erdbeben, Stürme, Gewitter, Feuer, alterndes Baumaterial. Die Probleme der Statik sind lange bekannt, bevor der Turm 1902 zusammenbricht.

Zehn Jahre dauert der originalgetreue Aufbau des Markusturms. Die Wiedereröffnung am 25. April 1912  - dem Tag des Stadtpatrons Markus - ist Staatsakt und Volksfest. Und auch heute bereitet der sandige Untergrund immer wieder Kummer. Bei der jüngsten Sanierung hat das Fundament einen Stützring aus Titan bekommen. Noch einmal soll der Campanile di San Marco nicht einstürzen.

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