Stichtag

19. Dezember 1915 - Edith Piaf wird in Paris geboren

Es ist ein grauer Tag im Oktober 1935 als Louis Leplée durch den Pariser Westen spaziert und plötzlich innehält. Die kräftige Stimme eines Straßenmädchens lässt ihn aufhorchen. Der Nachtclubbesitzer erkennt sofort den ungeschliffenen Juwel, den er vor sich hat und engagiert Edith Piaf. Zehn Tage später präsentiert Leplée die Entdeckung seinem Publikum: Ungeschminckt und struppig lässt Piaf ihre kräftige Stimme im exklusiven Kabarett "Le Gerny's" unweit der Champs-Elysée erklingen. Publikum und Presse sind sofort begeistert, der "Spatz von Paris" ist geboren.

Ein halbes Jahr später scheint alles vorbei. Ihr Entdecker Leplée wird erschossen in seiner Wohnung aufgefunden. Piaf gerät kurz unter Mordverdacht. Zu oft saß sie oft auf seinem Schoß und sie hat viele dubiöse Freunde. Aber die Tatnacht hat die Sängerin wieder einmal in Kneipen durchzecht, was ihr ein lupenreines Alibi verschafft. Es nicht die erste und noch lange nicht die letzte Tragödie im Leben von Frankreichs berühmtester Chansonsängerin.

Aufgewachsen im Bordell

Der Legende nach wird Edith Piaf am 19. Dezember 1915 auf den Stufen eines Hauseingangs in der Pariser Rue de Belville geboren. Auf der Geburtsurkunde ist jedoch das Krankenhaus Tenon vermerkt. Die Mutter, eine algerisch-italienische Sängerin, verlässt die Familie als Piaf gerade einmal drei Jahre alt ist. Der Vater bringt das Mädchen daraufhin zur Großmutter in die Normandie, wo Piaf fortan in einem Bordell aufwächst.

Dass sich mit Edith’s Stimme Geld verdienen lässt, erkennt als Erster ihr Vater. Sein Arbeitsplatz als Schlangenmensch sind auch schon die Pariser Trottoirs. Wenn die siebenjährige Edith zu seinen Kunststücken noch einen Gassenhauer schmettert, sitzen die Groschen der Passanten eindeutig lockerer. Der Vater verteilt sogar Fotos des kecken kleinen Mädchens: "Miss Edith, das Stimmwunder" steht darauf. Dennoch verbringt Piaf ihre Jugend mittellos in den Pariser Armenvierteln. Die Angst wieder ins alte Elend zurückkehren zu müssen, begleiten sie ein Leben lang.

Jedes Lied eine Mini-Tragödie

Der Tod ihres Entdeckers Leplée wird nie aufgeklärt und Piaf leidet unter den Verlust des Freundes. Wieder ist es ein Mann, der sie aus ihrem Elend rettet. Der Texter Raymond Asso bringt sie zurück auf die große Bühne. Die Liason ist beruflich und privat heftig - wie die meisten der unzähligen Liebesgeschichten von Piaf. Mit Liedern wie "Mon Légionniare", "La vie en rose" oder "Hymne à l'armour" wird sie weit über die Grenzen Frankreichs bekannt. Wenn sie ihre Arme pathetisch zum Himmel streckt, dann kann das Publikum ihre Leidenschaft, ihre Sehnsucht und ihren Schmerz erahnen. Die Bühne betritt Piaf nur noch in einem schlichten schwarzen Kleid. "Es wird zum Rahmen, um ihre Stimme, ihr Gesicht und ihre Hände besser zur Geltung zu bringen", sagt Joël Huthwohl, Kurator der großen Piaf-Ausstellung im Sommer 2015 in Paris.

Jedes Lied eine Mini-Tragödie - wie ihr Leben. Ihre große Liebe, der französische Boxer Marcel Cerdan, stirbt bei einem Flugzeugabsturz. Piaf betäubt sich mit Drogen und Alkohol, Krankheiten kommen hinzu. Exzesse gehören zu Piaf wie ihre große Stimme. Wenn sie ihren Fans dann nocht versichert "Non, je ne regrette rien", tobt der Saal. Ob die 1,47 Meter große Französin am Ende ihres kurzen Lebens tatsächlich nichts bereut, weiß man nicht. Sicher ist, dass sie schon als sie 1963 mit nur 47 Jahren stirbt, eine Legende ist.

Stand: 19.12.2015

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