Stichtag

29. Dezember 2010 - Erster Futterbetrieb wegen Dioxin gesperrt

Mousse au Chocolate, Weihnachtstorte, Plätzchen: Eier sind fester Bestandteil des Weihnachtsmenüs. Doch nach den Festtagen 2010 wird so manchem beim Gedanken an den vergangenen Weihnachtsschmaus übel. Möglicherweise enthielt der Eierstich in der Festtagssuppe nicht nur viel Cholesterin, sondern auch giftiges Dioxin. Zumindest das müssen die Verbraucher annehmen, als am 29. Dezember 2010 in Niedersachsen ein Futtermischbetrieb gesperrt wird. Dort wurden mit Dioxin belastete Industriefette aus der Papierproduktion verarbeitet und an etliche Landwirte in Nordrhein-Westfalen und Norddeutschland als Hühnerfutter verkauft.

Bereits einen Tag vor Weihnachten, am 23. Dezember 2010, hat der Betrieb aus dem Landkreis Vechta gemeldet, dass man bei Eigenkontrollen leicht erhöhte Dioxinwerte entdeckt habe. Diese Information gibt das Landwirtschaftsministerium in Hannover umgehend bekannt, jedoch erst einmal an einen nicht öffentlichen Verteiler. Die Eier der mit Dioxin gespeisten Hennen sind da schon längst im Handel und werden derweil fleißig aufgeschäumt, gestockt und gebacken. Erst nach den Feiertagen wird die Öffentlichkeit informiert.

Nicht nur Hühner, sondern auch Schweine im Visier

Anfang Januar erfolgt die nächste Razzia bei einem Futtermittelhersteller im schleswig-holsteinischen Uetersen. "Sichergestellt worden sind Rechnungen, Lieferscheine, Proben", erklärt Oberstaatsanwalt Ralph Döpper anschließend der Presse. Währenddessen wissen die Landwirte schon, was auf sie zukommt: "Bei solchen Meldungen kaufen die Verbraucher erst einmal das Produkt nicht mehr so gerne ein, das führt dann zu Preisrückgängen in der gesamten Branche", befürchtet ein Landwirt, noch bevor das ganze Ausmaß des Skandals klar ist.

In der Folge werden Tausende Höfe gesperrt, Eier landen auf Sondermülldeponien, Hühner werden getötet und verbrannt. Mehr als 4.700 Landwirte bekommen ein Auslieferungsverbot. In einer Eierprobe wird ein doppelt so hoher Dioxinwert wie erlaubt nachgewiesen. Und das Gift findet sich auch im Schweinefutter. Das niedersächsische Agrarministerium in Hannover muss einräumen: "Leider ist nicht auszuschließen, dass mit Dioxin belastetes Fleisch in den Handel gekommen ist." Dann gibt das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) Entwarnung. Eine Gefährdung der Gesundheit sei selbst dann nicht zu erwarten, wenn in den letzten Monaten viel belastetes Schweinefleisch und Eier verzehrt worden seien.

Verschärfte Auflagen für Futtermittelhersteller

Wie immer bei solchen Lebensmittelskandalen stellt sich die Frage: "Warum kontrolliert da keiner?" Die EU erlaubt Betrieben, selbst zu prüfen, ob Produkte und Rohstoffe dem Gesetz entsprechen. Das spart Kosten und Personal bei den Überwachungsbehörden, die hauptsächlich die vom Betrieb angefertigten Aufzeichnungen überprüfen. "Es ist ja der Ansatz der EU, dass der Unternehmer sämtliche Verantwortung trägt", sagt Martin Müller vom Bundesverband der Lebensmittelkontrolleure und fordert mehr staatliche Kontrollen.

Der Futtermittelproduzent aus Uetersen, der für das Dioxin im Futter verantwortlich gemacht wird, muss als Folge des Skandals Insolvenz anmelden. Rund 19 Millionen Euro Schadenersatz fordern die betroffenen Landwirte. Die Prozesse dauern Jahre, zwischenzeitlich verschärft der Gesetzgeber die Auflagen für Futtermittelunternehmen. Dabei sind die Dioxin-Eier nur der Anfang der Lebensmittelskandale 2011. Nur wenige Monate später macht der Darmkeim Ehec Schlagzeilen.

Stand: 29.12.2015

Programmtipps:

Auf WDR 2 können Sie den Stichtag immer gegen 9.40 Uhr hören. Wiederholung: von Montag bis Samstag um 18.40 Uhr. Der Stichtag ist nach der Ausstrahlung als Podcast abrufbar.