Ausstellung "Diane Arbus" (US-Fotografin) im Berliner Martin-Gropius-Bau, Bild "Identische Zwillinge"

26. Juli 1971 - Diane Arbus stirbt in New York

Stand: 26.07.2016, 00:00 Uhr

New York, 28. Juli 1971: Der Künstler Marvin Israel macht sich Sorgen. Seit Tagen kann er seine Freundin Diane Arbus telefonisch nicht erreichen. Er betritt das Apartment der Fotografin - und findet die 48-Jährige tot in ihrer Badewanne, angezogen. "Sie hat sich die Pulsadern in der Badewanne aufgeschnitten und in ihr Tagebuch geschrieben: Das letzte Abendmahl", sagt die US-Journalistin Patricia Bosworth. "Sie war sehr depressiv, sie konnte von ihrer Arbeit nicht leben, obwohl sie auf dem Höhepunkt ihrer Karriere war, als sie sich umbrachte." Todeszeitpunkt ist wohl der 26. Juli 1971, wie die Autopsie ergibt.

Geboren wird Arbus am 14. März 1923 als Diane Nemerov in New York City. "Sie war schon von klein an depressiv", sagt Bosworth, die eine Biografie über Arbus geschrieben hat. Ihre ganze Familie, die ein Kaufhaus in der 5th Avenue besitzt, sei von der Krankheit betroffen gewesen: Mutter, Vater, Bruder. "Und Diane hat ein Leben lang gegen ihre Depressionen angekämpft." Die Journalistin und die Fotografin lernen sich Mitte der 1950er Jahre kennen. Damals betreibt Diane gemeinsam mit ihrem Mann Allan in New York ein erfolgreiches Modefotografie-Studio. "Ich war damals 17 und habe als Fotomodell gearbeitet. Sie hat mich häufig fotografiert", erinnert sich Bosworth. "Damals war sie Modefotografin."

Zuerst Mode, dann Freaks und Exzentriker

Diane ist 15 Jahre alt, als sie Allan Arbus kennenlernt - und sich in ihn verliebt. "Er war damals Fotograf in Russeks Department Store, dem Familiengeschäft", sagt Bosworth. "Sie heiratete ihn schließlich, als sie noch ein Teenager war, und wurde seine Assistentin." Diane und Allan Arbus arbeiten für Magazine wie Glamour, Seventeen und Vogue. Daneben kümmert sich Diane um die Töchter Doon und Amy. Ende der 1950er Jahre ist sie jedoch mehr und mehr von der makellosen Modewelt gelangweilt. Ihre Ehe scheitert.

"Sie fing langsam an, ihre eigenen Bilder zu machen", sagt Bosworth. "Am Anfang wusste sie noch nicht ganz genau, was sie fotografieren sollte." Arbus habe die Fotografin Lisette Model kennengelernt, die ihr geraten habe, rauszugehen und Dinge zu fotografieren, vor denen sie Angst habe. "Lisette befreite mich von meinen bürgerlich-puritanischen Vorurteilen", sagt Arbus später. Ende der 1950er Jahre beginnt sie zu fotografieren, womit sie bekannt wird: Freaks und Exzentriker. "Sie wollte immer Amerika fotografieren, aber die dunkle Seite Amerikas", sagt Biografin Bosworth.

Mailer: "Wie Baby mit Handgranate"

"Am liebsten gehe ich dahin, wo ich noch nie war", sagt Arbus. "Und die Kamera ist dabei so etwas wie meine Eintrittskarte." Sie fotografiert in Nudisten-Camps, Travestie-Shows, psychiatrischen Kliniken, Slums der Lower East Side genauso wie im Leichenschauhaus. "Sie fotografierte anders, sie fotografierte sehr ehrlich, manche Leute sagen auch auf eine wenig schmeichelhafte Art und Weise", sagt Bosworth. Sie sei eine Art Chamäleon gewesen. "Sie veränderte ihr Aussehen, je nachdem, in welche Welt sie eintauchen wollte, um zu fotografieren."

Ihre Porträts verstören die prüde amerikanische Gesellschaft der 1960er Jahre. Der US-Schriftsteller Norman Mailer soll einmal gesagt haben: "Wenn man der Arbus eine Kamera gibt, ist das so, als würde man einem Baby eine Handgranate geben." Viele ihrer Aufnahmen sind heute Ikonen der Fotografie. Darunter auch das Bild von eineiigen Zwillingen, das sie 1967 in Roselle, New Jersey, aufnimmt. "Diese zwei kleinen Mädchen, die in die Kamera starren und ganz deutlich auf Diane reagieren, als sie auf den Auflöser drückt", sagt Biografin Bosworth. "Ich glaube, ich fotografiere deshalb, weil es Dinge gibt, die sonst niemand sehen würde", sagt Arbus über sich. "Ich glaube, meine Stärke ist das Wesen der Dinge."

Programmtipps:

Auf WDR 2 können Sie den Stichtag immer gegen 9.40 Uhr hören. Wiederholung: von Montag bis Samstag um 18.40 Uhr. Der Stichtag ist nach der Ausstrahlung als Podcast abrufbar.

Stichtag am 27.07.2016: Vor 150 Jahren: Erste dauerhafte Kabelverbindung über den Atlantik