Stichtag

12. Dezember 1915 - Frank Sinatra wird in Hoboken geboren

Gegenüber von Manhattan, am anderen Ufer des Hudson, liegt das schäbige Hafenstädtchen Hoboken. Dort lebt das italienischstämmige Ehepaar Sinatra; er verdient sein Geld als Preisboxer und Feuerwehrmann, sie ist Hebamme mit ominösen Nebengeschäften. Am 12. Dezember 1915 bringt Dolly Sinatra in einer dramatischen Zangengeburt einen Sohn zur Welt. Francis Albert gilt schon als Totgeburt, bis die Großmutter das Baby unter kaltes Wasser hält und damit ins Leben zurückholt.

Die dominante Mutter entfacht in ihrem schüchternen Sohn den Ehrgeiz, etwas Großes aus seinem Leben zu machen, und Francis enttäuscht sie nicht. Als Frank Sinatra steigt der stimmbegabte Schlacks mit den blauen Augen zum erfolgreichsten Entertainer der Welt auf. Fast sechs Jahrzehnte lang kassiert er als Show- wie als Kinostar die höchsten Gagen und verkauft rund eine halbe Milliarde Platten.

"The Voice" und die Frauen

Ein Konzert von Bing Crosby beeindruckt den jungen Sinatra so stark, dass er die angestrebte Journalistenkarriere aufgibt, um sein Glück als Sänger zu machen. 1939 engagiert der Trompeter Harry James das Talent mit der samtweichen Stimme für seine Swing-Band. Auf der Suche nach einem ganz eigenen Stil beobachtet Sinatra die großen Sänger der Jazz-Szene. So erlernt er die richtige Atemtechnik und die Wirkung der Phrasierung. 1940 holt ihn Tommy Dorsey als Leadsänger in die beste Bigband jener Zeit. Zwei Jahre später startet "Frankieboy" seine Karriere als Solo-Plattenstar, ergattert Rollen in Hollywood-Musikfilmen und ist nach kurzer Zeit das größte Teen-Idol der USA. Bis zu 40 Millionen Fans organisieren sich in über 2.000 Sinatra-Fanclubs.

Als Sänger und Schauspieler stets professionell, zeigt Frank Sinatra privat zwei Gesichter. Großzügig hilft "The Voice", wie ihn die Weltpresse nennt, Freunden in Not und tritt gegen Rassismus ein. Berüchtigt ist der Charming Boy aber für seinen schier unersättlichen Hunger auf Frauen und seinen zügellosen Jähzorn. Sinatra verprügelt Geliebte und Journalisten, zerlegt in rasender Wut Wohnungsmobiliar und genießt es, Freund wie Feind mit kleinen Sprengstoffattacken zu erschrecken. Anfang der 50er Jahre gerät der notorische Womanizer in eine tiefe Krise. Rock'n'Roll-Star Elvis Presley verdrängt ihn aus den Hitparaden, sein Kehlkopf entzündet sich und halb Amerika verurteilt ihn, weil er seine Frau Nancy verlässt, um Leinwand-Diva Ava Gardner zu heiraten. Sinatra gilt als "has been", als Mann von gestern.

Langer Abschied einer lebenden Legende

Die Oscar-prämierte Darstellung des Soldaten Maggio in "Verdammt in alle Ewigkeit" katapultiert ihn 1953 zurück ins Rampenlicht. Angeblich verdankt er die Rolle seinen nachgewiesenen Kontakten zur Mafia. Kurz darauf dreht er als Co-Star seines früheren Idols Bing Crosby mit "High Society" den nächsten seiner insgesamt 40 Filme. Über die schwere Trennung von Ava Gardner helfen Sinatra die grandiosen Show-Erfolge hinweg, die er als Chef des legendären Rat Packs in Las Vegas feiert. Zu der trinkfesten Kumpelgang gehört neben Dean Martin und Sammy Davis, Jr. auch Kennedy-Schwager Peter Lawford, der ihm die Türen zu der einflussreichen Demokraten-Dynastie öffnet. Sinatra macht sich für John F. Kennedys Wahl zum Präsidenten stark. Doch auf Druck von Bruder und Justizminister Robert Kennedy lässt der mächtigste Mann der westlichen Welt Sinatra wegen seiner Mafia-Kontakte fallen.

Die Abfuhr kränkt Sinatra derart, dass er sich später dem Erzreaktionär Ronald Reagan zuwendet. Auch die Ehe mit der 30 Jahre jüngeren Mia Farrow geht zu Bruch. Nach zwei Jahren verlässt die Schauspielerin den egomanen Wüterich. Ende der 60er Jahre kann Frank Sinatra mit unvergleichlichem Charme, Timbre und Welthits wie "Strangers in the Night" und "My Way" noch einmal dem Zeitgeist trotzen. 1971 kündigt er erstmals seinen Rückzug an. Ein Abschied in Würde jedoch gelingt dem von Standing Ovations Verwöhnten nicht. Trotz nachlassender Stimme und gezeichnet von Krankheiten tourt "Ol' Blue Eyes" weiter als lebende Legende durch die Welt. Seine Konzerte, vor allem in Europa, sind zwar ausverkauft, die Kritiken aber fallen immer ätzender aus. Zuletzt nur noch ein Schatten seiner selbst, stirbt der größte Entertainer des Jahrhunderts am 14. Mai 1998 mit 82 Jahren in Los Angeles.

Stand: 12.12.2015

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