Kampfhundehalter üben mit Tieren für Hundeführerschein

21. April 2001 - Deutsches Kampfhundegesetz tritt in Kraft

Stand: 21.04.2016, 00:00 Uhr

Der sechsjährige Volkan spielt Fußball mit seinen Klassenkameraden, als zwei Hunde ohne Maulkorb und Leine über die Schulhofmauer springen und ihn angreifen. Immer wieder beißen der Bitbull "Zeus" und Staffordshire "Gipsy" vor den Augen der schockierten Mitschüler zu. Als die Polizei eintrifft und die Hunde erschießt, ist es für den Jungen schon zu spät. Volkan stirbt am 26. Juni 2000, weil der 23-jährige Besitzer jede Kontrolle über seine Tiere verloren hatte.

Es war nicht das erste Mal, dass Zeus zubiss. Der Halter ist bei Polizei und Ordnungsamt bekannt. "Er machte alle kalt", titelt der Spiegel einige Tage später und beschreibt, wie aus dem Kampfhund eine lebendige Waffe wurde. Das Entsetzen über den Tod des Jungen entfacht eine Diskussion über schärfere Gesetze. "Wir wollen, dass diese Kampfmaschinen überhaupt von unseren Straßen und Plätzen verschwinden", fordert CSU-Politiker Günther Beckstein.

Strengere Vorschriften für die Haltung

Dabei werkelt der deutsche Gesetzgeber schon seit Jahren eher verhalten an strengeren Vorschriften für sogenannte Kampfhunde. Sollte es Maulkorb und Leinenzwang geben? Hundeführerschein und Charaktertest? Andere Europäer sind da längst weiter: Großbritannien hat nach zahlreichen schlimmen Beißunfällen Zucht, Haltung und Verkauf bereits 1991 verboten. Nun ziehen die Deutschen nach. In allen Bundesländern wird im Sommer 2000 fieberhaft an Hundegesetzen und Hundeverordnungen gearbeitet.

NRW setzt die als besonders gefährlich geltenden Pitbull-Terrier, American Staffordshire, Staffordshire-Bullterrier und Bullterrier auf eine Rasseliste. Wer diese halten will, muss 18 Jahre alt sein und braucht eine Sondererlaubnis. Und die Bundesregierung bringt als Ergänzung zu den Ländergesetzen innerhalb weniger Wochen das "Gesetz zur Bekämpfung gefährlicher Hunde" auf den Weg, das am 21. April 2001 in Kraft tritt. Fortan ist auch die Einfuhr gefährlicher Hunde nach Deutschland verboten.

Tierschützer gegen Rassenliste

Den Tierschützern gehen die strikten Vorschriften zu weit. "Das ist, als wenn ich sage: Blonder Mann mit grünen Augen hat ein Kind totgefahren, jetzt sind alle blonden Männer mit grünen Augen Kindermörder", erklärt Pitbull-Besitzerin Alexandra Ronsieck. Mehrere Hundehalter und Züchter schließen sich zusammen und ziehen vor das Bundesverfassungsgericht. Die obersten Richter bestätigen jedoch 2004 das Importverbot für Bullterrier, Pitbull-Terrier, American Staffordshire-Terrier und Staffordshire-Bullterrier. Die von den Klägern favorisierten "Wesensprüfungen" einzelner Hunde seien kein gleich geeignetes Mittel zur Vorbeugung von "Beißvorfällen".

Dagegen kippt das Karlsruher Gericht das ebenfalls im Bundesgesetz festgelegte Zuchtverbot von Hunden mit "erblich bedingter Aggressionssteigerung". Damit habe der Bund seine Kompetenz überschritten, ein solches Verbot dürfen dem Urteil zufolge nur die Länder erlassen. Das führt dazu, dass Besitzer von Kampfhunden sich je nach Region mit unterschiedlichen Regeln vertraut machen müssen. In NRW ist die Zucht von als gefährlich eingestuften Hunden verboten, in Schleswig-Holstein neuerdings wieder erlaubt. NRW-Staatssekretär Peter Knitsch ist von der Wirkung der strengen Landesvorschriften überzeugt: "2003 hat es in NRW noch 50 Beißvorfälle dieser vier Rassen auf Menschen gegeben. Im Jahr 2014 waren es dann nur noch 17."

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