Die Sachbearbeiterinnen Ursula Winkler und Erika Lepke und der Kraftfahrer Erich John (r-l), Mitarbeiter der Deutschen Bauernbank aus Hainichen, helfen der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) "Neue Zeit" bei der Weizenernte

8. Juni 1952 - Erste LPG in der DDR gegründet

Stand: 08.06.2017, 00:00 Uhr

"Junkerland in Bauernhand" heißt die Losung, unter der nach dem Zweiten Weltkrieg in der Sowjetischen Besatzungszone eine Bodenreform durchgeführt wird. Jeder, der mehr als 100 Hektar Land besitzt, wird enteignet. Mehr als 7.000 Großgrundbesitzer sind betroffen. Auch Kriegsverbrecher und ehemals aktive NSDAP-Mitglieder verlieren entschädigungslos ihren Boden. Das sind zusätzlich mehr als 4.500 Betriebe.

Das Land geht an Neubauern, Umsiedler und Flüchtlinge. Die kleinen Parzellen ermöglichen jedoch kaum effizientes Arbeiten. Den neuen Landwirten fehlt es an Vieh, landwirtschaftlichen Geräten und oft auch an Erfahrung. Während manche Bauern aufgeben, wollen andere sich zusammenschließen, um sich gegenseitig zu unterstützen.

Erste LPG in der DDR gegründet (am 08.06.1952)

WDR 2 Stichtag 08.06.2017 04:13 Min. Verfügbar bis 06.05.2027 WDR 2


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Eigeninitiative wird verboten

Auch im thüringischen Merxleben schließen sich Bauern 1950 zu einer sogenannten Liefergemeinschaft zusammen, um das staatlich geforderte Ablieferungssoll besser erfüllen zu können.

Im Mai 1951 wird die Gemeinschaft von der SED jedoch wieder aufgelöst. Auch alle anderen Zusammenschlüsse werden im Laufe der Zeit verboten. Kollektivierungsgerüchten sollte der Boden entzogen werden.

Geheimplan der SED

Nach einer Unterredung mit Stalin im April 1952 ändert die SED-Führung jedoch ihre Haltung. Der sowjetische Diktator fordert, in der DDR Produktionsgenossenschaften zu bilden. Der Geheimplan der SED: Die Gründungen sollen nicht wie von oben verordnet, sondern wie Eigeninitiativen von Bauern aussehen.

Zu diesem Zweck suchen SED-Funktionäre einige Dörfer auf, von denen bekannt ist, dass Bauern seit längerem gemeinschaftlich arbeiten. Auch in Merxleben verlangt am 5. Juni 1952 ein SED-Mann, dass Bauern nach Berlin fahren, um beim Landwirtschaftsminister die Zulassung ihrer Gemeinschaft zu beantragen.

Angebliche Freiwilligkeit

Nach Rückkehr der Delegation nach Merxleben versammeln sich die Bauern im Gasthaus "Zum goldenen Löwen" und gründen am 8. Juni 1952 die erste Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft (LPG) der DDR.

Offiziell wird die Kollektivierung der Landwirtschaft erst im Juli 1952 auf der zweiten SED-Parteikonferenz beschlossen. In ihrem Aufruf fordert die SED-Führung "die werktätigen Bauern" auf, sich "auf völlig freiwilliger Grundlage" zu Produktionsgenossenschaften zusammenzuschließen. Das Prinzip der Freiwilligkeit wird aber nicht eingehalten.

Zunächst Propaganda, später Zwang

Zunächst werden Werber in die Dörfer geschickt, um die Bauern von der Kollektivierung zu überzeugen. Die Propaganda läuft auf Hochtouren. Die Vorzeige-LPG "Walter Ulbricht" aus Merxleben vermeldet im DDR-Hörfunk Erfolge: "Wir sind in einem Jahr von '52 bis '53 von 120 Hektar auf 508 Hektar gestiegen."

Dann wird Zwang eingesetzt. Bei einer Volkskammertagung lässt der Staatsratsvorsitzende Walter Ulbricht keinen Zweifel: "Der Zusammenschluss der Bauern in der LPG - das ist die Grundbedingung für ein besseres Leben der Bauern und für die endgültige Überwindung der Rückständigkeit des Dorfes." Die DDR-Dörfer entwickeln sich zu Orten landwirtschaftlich-industrieller Großproduktion. Aus Bauern werden landwirtschaftliche Arbeiter.

(Hinweis: Ein kritischer User hat moniert, dass wir die Chronologie der Ereignisse und die Frage der Freiwilligkeit der bäuerlichen Zusammenschlüsse ungenau dargestellt hätten. Wir haben das sorgfältig geprüft und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass die Beschwerde berechtigt war. Wir haben unsere Darstellung daraufhin am 30.11.2017 präzisiert.)

Programmtipps:

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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 8. Juni 2017 ebenfalls an die Gründung der ersten Landwirtschaftlichen Produktionsgesellschaft in der DDR. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.

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