Eine dreiköpfige Familie steht vor einer Plakatwand, auf der ein kleines Mädchen zu sehen ist

29. Oktober 2015 - China schafft die Ein-Kind-Politik ab

Stand: 29.10.2020, 00:00 Uhr

Die rasant wachsende Bevölkerung bereitet den Machthabern der Volksrepublik China in den 1970er Jahren große Sorgen. Wurden Anfang der 50er Jahre rund 600 Millionen Chinesen gezählt, ist nun bei der Bevölkerungszahl die Milliarde in Sicht.

"China war damals ein Agrarland, ein sehr armes Land", erklärt die ehemalige China-Korrespondentin Ruth Kirchner. Die Bauern brauchen viele Kinder als Arbeitskräfte und zur Altersversorgung. "Es gab Befürchtungen, dass China diese vielen Menschen einfach nicht verkraften kann."

China beendet Ein-Kind-Politik (am 29.10.2015)

WDR 2 Stichtag 29.10.2020 04:17 Min. Verfügbar bis 27.10.2030 WDR 2


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Der Staat verordnet Einzelkinder

Die vermeintliche Lösung: Jedes verheiratete Ehepaar darf nur ein Kind bekommen. Unter Staatschef Deng Xiaoping führt China 1979 die Ein-Kind-Politik ein. Alle Fernsehkanäle zeigen nun glückliche Eltern mit nur einem Kind. Spruchbänder verkünden: "Wohlstand kann nur mit kleinen Familien erreicht werden!"

Die Realität ist weniger rosig und oft grausam: So hat es Jin ya ni erlebt. Sie ist im neunten Monat schwanger, als Männer sie abholen. "Ich wurde in ein Behandlungszimmer gezerrt. Mehrere Leute in Arztkitteln hielten mich fest und verpassten mir eine Spritze", erzählt die Chinesin. Sie darf ihr Kind nicht bekommen, weil ein entsprechender Antrag gefehlt hat.

China überaltert

Andere Frauen verlieren ihr zweites oder drittes Kind in den Kliniken der sogenannten Familienplanungs-Kommissionen, obwohl Zwangsabtreibungen offiziell verboten sind. Außerdem tragen viele Frauen weibliche Föten nicht mehr aus, denn traditionell sorgt der Sohn in China für die Eltern im Alter. So bringt die Ein-Kind-Politik das Gleichgewicht der Geschlechter durcheinander.

Aber die Maßnahmen erfüllen ihren Zweck, das Bevölkerungswachstum verlangsamt sich. Statistiker rechnen später aus, dass wohl 300 bis 400 Millionen Chinesen weniger auf die Welt gekommen sind. Doch das Reich der Mitte bekommt neue Probleme: China überaltert, und es fehlen die Menschen für die Pflege der Senioren.

Viele "Kleine Kaiser"

Zudem sind in den Familien Millionen von Einzelkindern herangewachsen. Sie werden "Kleine Kaiser" genannt, weil sie überbehütet und verhätschelt werden. "Im Kindergarten fördern wir nun Aktivitäten, bei denen geteilt werden muss", erzählt eine Erzieherin.

Am 29. Oktober 2015 verkündet die kommunistische Führung: Die Ein-Kind-Politik ist beendet; seither darf jedes Paar zwei Kinder haben. Dennoch sinkt die Geburtenrate weiter. Vater, Mutter, ein Kind sind zur Norm-Familie geworden, und die meisten heutigen Eltern haben selbst nie Geschwister gehabt.

Programmtipps:

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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 29. Oktober 2020 ebenfalls an die Abschaffung der Ein-Kind-Politik in China. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.

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