Boris Jelzin an Rednerpult, Fahnen

12. Juni 1991 - Wahl von Boris Jelzin zum Präsidenten Russlands

Stand: 12.06.2016, 00:00 Uhr

Am Ende seines Lebens überschattet politisches und persönliches Versagen seine unstrittigen Verdienste. Der am 23. April 2007 gestorbene Boris Jelzin wird zwar in Anwesenheit führender westlicher Politiker mit einem Staatsakt zu Grabe getragen. Ein ehrendes Gedenken im russischen Parlament jedoch gibt es nicht.

Niemals werde man den "Zerstörer des Vaterlandes" ehren, erklärt die kommunistische Fraktion. So denken auch die meisten Bürger Russlands über ihren ersten demokratisch gewählten Präsidenten. Boris Jelzin ist für sie kein Held der Freiheit und Retter vor einem Sieg der Reaktion. Mit seinem Namen verbinden sie nur noch Chaos und Not seit dem Zerfall der Sowjetunion.

Energisches Eingreifen gegen Staatsstreich

Michail Gorbatschow, gerade zum Generalsekretär der KPdSU aufgestiegen, holt Jelzin 1985 als Parteichef nach Moskau. Der 1931 im Ural geborene Hüne mit dem schlohweißen Haar soll Gorbatschows Reformpolitik der Perestroika unterstützen. Kompromisslos geht Jelzin gegen Korruption und Privilegien der Sowjet-Eliten vor, was ihm große Popularität in der Bevölkerung verschafft. Sein radikaler Reformkurs macht ihn zum Rivalen des Taktikers Gorbatschow; 1987 wird er entlassen und aus dem Politbüro ausgeschlossen. Bei den ersten demokratischen Parlamentswahlen 1989 aber zieht Jelzin mit einem überwältigenden Stimmenanteil in den Obersten Sowjet ein. Er tritt aus der KPdSU aus und steigt zum russischen Parlamentspräsidenten auf.

Am 12. Juni 1991 wählt das russische Volk Boris Jelzin zu seinem ersten demokratisch legitimierten Präsidenten. Noch ist das Land Teil der UdSSR und Gorbatschow ihr Staatsoberhaupt. Doch kontrollieren kann dieser den Zerfall der Sowjetunion kaum noch. Im August 1991 zetteln altstalinistische Militärs und Parteikader einen Putsch an und setzen Gorbatschow ab. Gerettet wird er ausgerechnet durch seinen mächtigsten Gegenspieler. Auf einem Panzer vor dem Moskauer Parlament stehend ruft Boris Jelzin das Volk zum Widerstand auf: "Für die Demokratie über die reaktionären Kräfte!" Dank Jelzins Eingreifen misslingt der Putsch. Staatschef Gorbatschow kann in den Kreml zurückkehren, seine Macht aber hat er an Jelzin verloren.

Jelzin und der Ausverkauf des Staates

Schlag auf Schlag besiegelt Jelzin nun den Untergang der UdSSR. Er erreicht die Entlassung der gesamten Regierung und verbietet die Kommunistische Partei. Nach Loslösung der baltischen Staaten scheitert Gorbatschows letzter Versuch, die zentrale Staatenföderation zu bewahren.  Am 8. Dezember 1991 gründen Russland, die Ukraine und Weißrussland die Gemeinschaft unabhängiger Staaten (GUS). Damit hört die Sowjetunion nach 69 Jahren auf zu existieren. Am 1. Weihnachtstag tritt Michail Gorbatschow von der politischen Bühne ab. Nach seinem gebremsten Reformkurs brechen unter Boris Jelzin nun Demokratie, Pressefreiheit und zugleich ein Raubtier-Kapitalismus wie eine Schocktherapie über das von jahrzehntelanger Stagnation geprägte Russland herein.

Während sich Oligarchen maßlos am Ausverkauf der Staates bereichern, Mord und Erpressung alltäglich werden, bricht die Versorgung der Bevölkerung beinahe zusammen. Flügelkämpfe rechter und linker Radikaler lähmen das Parlament. Jelzin lässt die Duma verfassungswidrig auflösen und eine offene Rebellion von Parlamentariern durch die Armee zusammenschießen. Als sich das strategisch wichtige Tschetschenien für unabhängig erklärt, befiehlt er im Dezember 1994 den Einmarsch russischer Truppen. Nach dem katastrophal verlaufenden Krieg sichert der von Alkoholmissbrauch und Krankheit gezeichnete Präsident in seiner zweiten Amtsperiode ab 1996 vornehmlich die Pfründe seiner Familie und Verbündeten. Im Volk verhasst und im Westen zur Witzfigur verkommen, tritt Boris Jelzin Ende Dezember 1999 zurück. Nachfolger an der Spitze Russlands wird sein Ministerpräsident: Wladimir Putin.

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