Avery Brundage, Präsident Internationales Olympisches Komitee

28. September 1887 - Avery Brundage wird geboren

Stand: 28.09.2017, 00:00 Uhr

"Unser Ziel ist es, die Olympischen Spiele frei zu halten von Dollars und politischen Intrigen." Ein Ziel, das Avery Brundage als IOC-Präsident 20 Jahre lang auf seine Weise verfolgt. Der US-Amerikaner orientiert sich dabei an der Olympischen Idee des Franzosen Pierre Coubertin, der Ende des 19. Jahrhunderts die Olympischen Spiele initiiert hat.

Avery Brundage, der am 28. September 1887 in Detroit geboren wird, lebt den amerikanischen Traum. Er steigt als Arbeiterkind zum Bauunternehmer auf. Er baut Hotels und gestaltet die Skyline von Chicago mit. Brundage ist auch ein erfolgreicher Sportler. 1914, 1916 und 1918 gewinnt er die amerikanische Mehrkampf-Meisterschaft. Auch als Handballer ist er aktiv.

Avery Brundage, IOC-Präsident (Geburtstag 28.09.1887)

WDR 2 Stichtag 28.09.2017 04:16 Min. Verfügbar bis 26.09.2027 WDR 2


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Sympathien für Nazis

Nahtlos schließt sich ab 1919 seine Karriere als Sportfunktionär in verschiedenen amerikanischen Verbänden an. Mit olympischen Angelegenheiten befasst sich Brundage erstmals im Vorfeld der Berliner Spiele von 1936. Angesichts der Meldungen über die Diskriminierung von Juden in Deutschland geht es um die Frage, ob US-Sportler nach Berlin fahren sollen. Brundage erhält den Auftrag des amerikanischen Olympischen Komitees, die Situation in Deutschland zu untersuchen.

Brundage ist gegen einen Boykott. Er sympathisiert mit den Nazis. Als bei seinem Aufenthalt in Deutschland deutlich geworden sei, dass Juden in normalen deutschen Vereinen nicht mehr Sport treiben durften, habe Brundage eingeworfen: "Ja, in meinem Chicago-Verein können auch weder Neger noch Juden teilnehmen - und damit war eigentlich die Sache völlig klar", sagt Sporthistoriker Lorenz Peiffer. Brundage setzt sich durch: Die USA nehmen an den Olympischen Spielen 1936 teil.

Bauauftrag von Hitler

Brundage habe dafür gesorgt, so Professor Peiffer, dass zwei jüdische Sportler aus der 4-mal-100-Meter-Staffel herausgenommen worden seien. "Die Berliner Spiele sind für ihn auch in der Nachbetrachtung ein wichtiger Baustein des Sports gewesen für die Schaffung des Weltfriedens", sagt Peiffer. So behauptet Brundage 1972 in einem Interview allen Ernstes: "Wir hielten die Spiele sauber und verhinderten, dass sie als Waffe für andere Zwecke benutzt wurden."

Für Brundage lohnt sich sein Vorgehen: Nach den Spielen in Berlin erhält Brundage von Adolf Hitler den millionenschweren Auftrag, die deutsche Botschaft in Washington zu bauen.

Verschließt die Augen

Nach dem Zweiten Weltkrieg wird Brundage 1945 zum Vizepräsidenten und 1952 zum Präsidenten des IOC gewählt. "Avery Brundage hatte in seiner Zeit als IOC-Präsident zwei zentrale Maximen", sagt Sporthistoriker Henry Wahlig. "Das eine war die vermeintlich unpolitische Ausrichtung des Sports." Das Zweite, sei "das zwanghafte Festhalten am Amateurismus" gewesen.

In der Realität wird die Amateurregel jedoch längst unterlaufen. Ostblock-Athleten sind pro forma Staatsbedienstete und für den Sport freigestellt. Westliche Athleten leben von Werbeverträgen, in der Bundesrepublik gibt es die Sporthilfe. Brundage weiß das, verschließt davor aber die Augen - jedenfalls meistens, sagt Sporthistoriker Henry Wahlig.

"The show must go on!"

Zu Beginn der Olympischen Winterspiele 1972 in Sapporo in Japan statuiert Brundage ein Exempel und disqualifiziert den österreichischen Skisportler Karl Schranz, weil dieser Werbung für Kaffee gemacht hat. Schranz wehrt sich: "Wo ich doch nichts anderes getan habe, als alle anderen Läufer, die dann eben gestartet sind."

Die Spiele in der Bundesrepublik sind die letzten für den 84-jährigen IOC-Präsidenten Brundage. Die Sommerspiele in München werden zum Desaster: Palästinensische Terroristen überfallen das israelische Team - 17 Menschen sterben. Die Welt ist schockiert, doch Brundage verkündet: "The Games must go on!" Er könne es nicht erlauben, "dass eine Handvoll Terroristen die Olympische Bewegung zerstört".

Keine legitimen Erben

Nach der umstrittenen Entscheidung von München tritt Brundage als IOC-Präsident zurück. Fortan widmet er sich seiner Sammlung asiatischer Kunstgegenstände, die er noch zu Lebzeiten einem Museum in San Francisco vermacht. Erben hat er keine, jedenfalls keine legitimen. Die Ehe mit seiner ersten Frau Elizabeth bleibt kinderlos. Zwei Söhne, die seine finnische Geliebte Anfang der 1950er Jahre zur Welt bringt, verschweigt Brundage der Öffentlichkeit.

1973 heiratet Brundage die deutsche Prinzessin Marianne von Reuß, die er bei den Spielen in München kennengelernt hat, und zieht nach Garmisch-Partenkirchen. Dort stirbt er am 8. Mai 1975 nach einer Grippe an Herzversagen.

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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 28. September 2017 ebenfalls an Avery Brundage. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.

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