Stichtag

5. August 1895 - Friedrich Engels stirbt in London

Friedrich Engels, Sohn einen Fabrikantenfamilie aus Wuppertal, hat zwei Seiten. Zum einen ist er ein erfolgreicher Unternehmer und liebt Champagner. Zum anderen kämpft er leidenschaftlich für den Sozialismus - sein bester Freund ist Karl Marx.

"Es herrscht ein schreckliches Elend unter den niedern Klassen, besonders den Fabrikarbeitern im Wuppertal", notiert im März 1839 ein 18-Jähriger unter dem Pseudonym Friedrich Oswald. Allein in Elberfeld arbeite fast die Hälfte der schulpflichtigen Kinder in Fabriken - "bloß damit der Fabrikherr nicht einem Erwachsenen, dessen Stelle sie vertreten, das Doppelte des Lohnes zu geben nötig hat, das er einem Kinde gibt". Kritisiert werden die gesellschaftlichen Verhältnisse auf diese Weise von Friedrich Engels, der am 28. November 1820 in Barmen als ältester Sohn eines wohlhabenden Textil-Fabrikanten geboren wird. Was er in seinen "Briefen aus dem Wuppertal" schreibt, kennt er aus eigener Anschauung. Der junge Friedrich wohnt Tür an Tür mit den Arbeiterkindern, deren Eltern für seine pietistische Familie arbeiten. Er spielt mit ihnen und wächst mit ihnen auf.

Der aufmüpfige Sohn wird vom Vater vom Gymnasium abgemeldet und nach Bremen in eine Kaufmannslehre geschickt. Anschließend meldet sich Engels als Freiwilliger zum preußischen Militär. So hat er die Chance, ohne Abitur an der preußischen Hochschule in Berlin zu studieren. Er besucht Vorlesungen des Philosophen Friedrich Wilhelm Joseph Schelling und knüpft erste Kontakte zu frühsozialistischen Kreisen. 1842 trifft Engels in Köln zum ersten Mal Karl Marx, den Chefredakteur der sich radikalisierenden "Rheinischen Zeitung". Engels ist auf dem Weg nach Manchester, um dort seine Ausbildung in der väterlichen Baumwollspinnerei fortzusetzen. England bestimmt seit dem 18. Jahrhundert den Baumwollmarkt. Es lohnt sich, dort einen zweiten Standort zu haben.

Doppelleben als Revolutionär und Unternehmer

Die Lebensverhältnisse in Manchester empören Engels. 1845 erscheint sein Buch über die "Lage der arbeitenden Klasse in England": "Ganze Generationen verdorben, mit Schwäche und Siechtum infiziert, bloß um der Bourgeoisie die Beutel zu füllen." Inzwischen ist Engels mit Marx befreundet. Während die erste Begegnung in Köln "eher 'kühl' verlief", so Engels, "waren wir uns beim zweiten Treffen im Sommer 1844 in Paris sofort sympathisch: aufgrund der vollständigen Übereinstimmung auf allen theoretischen Gebieten." Die beiden beginnen, eng zusammenzuarbeiten. 1848 erscheint das von ihnen gemeinsam verfasste "Manifest der Kommunistischen Partei" in London. Sie sind überzeugt, dass nur der Kommunismus die Lage der Arbeiter verbessern kann.

So sehr sich die beiden Revolutionäre verstehen, so unterschiedlich sind sie. "Engels selbst ging auf die Barrikaden, er nahm an den Aufständen in seiner Heimatstadt Barmen teil", sagt der britische Historiker und Engels-Biograf Tristram Hunt. "Marx aber saß zu Hause am Schreibtisch und verfasste Pamphlete." Bald werden die beiden steckbrieflich gesucht. Deshalb ziehen sie sich nach England zurück. Engels beginnt wieder, in der väterlichen Firma in Manchester zu arbeiten, und führt ein Doppelleben. Als Unternehmer im Anzug hat er ein Geschäftshaus und spekuliert erfolgreich an der Börse. Von der ökonomischen Kompetenz seiner politischen Mitstreiter hält er aber offenbar wenig: "So kindlich bin ich nicht, mir bei meinen Operationen in der sozialistischen Presse Rat zu holen." Parallel zu seinem Leben als wohlhabender Cotton-Lord wohnt Engels mit der irischen Arbeiterin Mary Burns in einem zweiten Haus in einem Vorort von Manchester.

Schreibt das "Kapital" zu Ende

Immer wieder unterstützt Engels seinen Freund Marx finanziell und ermutigt ihn, "etwas weniger gewissenhaft" an dessen Hauptwerk, dem "Kapital", zu arbeiten: "Dass das Ding geschrieben wird und erscheint ist die Hauptsache; die Schwächen, die Dir auffallen, finden die Esel doch nicht heraus." Dennoch schafft Marx nur den ersten Band. Er stirbt, bevor er das Werk vollenden kann. Engels verarbeitet daraufhin die hinterlassenen Manuskripte zum zweiten und dritten Band.

Friedrich Engels stirbt am 5. August 1895 mit 74 Jahren in London. Er hinterlässt nicht nur ein beträchtliches Vermögen, sondern auch ein Depot von mehr als 1.000 Flaschen Wein und Champagner. Seine Asche wird auf seinen Wunsch hin an der Südküste Englands verstreut. Ein Personenkult soll vermieden werden. "Ich habe mein Leben lang das gemacht, wozu ich gemacht war, nämlich die zweite Violine zu spielen", hat Engels schon kurz nach Marx' Tod erklärt.

Stand: 05.08.2015

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