Lester Piggott

Stichtag

5. November 1935 - Jockey Lester Piggott wird geboren

Mit 1,71 Meter ist Lester Piggott für einen Jockey ungewöhnlich groß. Um seinen Beruf auszuüben, darf er nicht mehr als 55 Kilogramm auf die Waage bringen. Folglich ist der Brite permanent untergewichtig. "Man kann sich das Essen ein bisschen abgewöhnen", sagt Piggott in einem seiner wenigen Interviews. Doch der Jockey sieht auch Vorteile in seiner Größe: "Mit langen Beinen kann man das Pferd besonders gut leiten, man kann mit den Knien besser Hilfen geben, und es ganz allgemein besser kontrollieren."

Pferde kontrollieren, lenken und antreiben kann keiner so gut wie Lester Piggott. Er erkennt, wann und wie man seinen vierbeinigen Partner aufmuntern muss, ob das Pferd noch Reserven hat und wie man sie wecken kann. Bereits mit zwölf Jahren gewinnt Piggott sein erstes Rennen, der erste Derby-Sieg gelingt ihm mit 18 Jahren. Der Brite holt in seiner Heimat zwischen 1964 und 1971 achtmal in Folge das Championat. Allein im Jahr 1966 geht er in 191 Rennen als Erster durchs Ziel. Auch in den USA, in Frankreich und Deutschland zeigt er sein Ausnahmekönnen und trägt sich mehr vier Jahrzehnte in Siegerlisten ein.

Hartnäckiger Schweiger

Als Lester Piggott am 5. November 1935 in Wantage/Berkshire geboren wird, dreht sich in seiner Familie alles um Pferde. Großvater und Vater sind berühmte Reiter und Trainer, die Brüder seiner Mütter sind ebenfalls Jockeys. Das Gespür für die Tiere, Reittalent, aber auch Kaltschnäuzigkeit und Durchsetzungskraft liegen in seinen Genen. Vater Keith Piggott trainiert seinen Sohn schon mit vier Jahren, ohne ihn jemals zu loben. "Er war ein strenger Lehrmeister und ich bin überzeugt davon, dass es die richtige Methode war", sagt Piggott später.

Der Schule kann er dagegen wenig abgewinnen, ihn interessieren nur Pferde. Zudem hört Lester Piggott auf einem Ohr nicht und hat einen Sprachfehler. Das macht ihn zum Eigenbrötler."Wenn man taub ist, wird man ein wenig scheu und lebt ein wenig für sich", erklärt der Brite. Dadurch lerne man besser, sich selbst zu helfen und nach eigenem Gutdünken zu handeln. Bei seinen Jockey-Konkurrenten kommt das anders an: Sie beschreiben ihn als rücksichtslos, kauzig und wortkarg. An guten Tagen wechselt er zwei Sätze mit den Stallkollegen, aber die meiste Zeit schweigt er.

Als Piggott einmal während eines Rennens seine Peitsche verliert, fackelt er nicht lange: "Kurzerhand entwand er seinem verdutzten Konkurrenten das biegsame Knüppelstück und gewann", erinnert sich Sportreporter Werner Hansch. Disqualifikationen und Geldstrafen gehören zu Piggotts Jockeyleben ebenso wie seine spektakulären Erfolge.

Vom Sattel ins Gefängnis

In seiner späteren Karriere entscheidet oft das Preisgeld darüber, wo und auf welchem Pferd er ins Rennen geht. Lester Piggot gilt als geldgierig und geizig, obwohl sich sein Preisgeld auf mehrere Millionen Pfund summiert. Mit 50 Jahren verabschiedet er sich 1985 zunächst aus dem Rennsport, weil der erfolgreichste britische Jockey künftig als Trainer arbeiten will. Zwei Jahre später bekommt er Probleme mit der britischen Steuerbehörde und wird zu einer dreijährigen Haftstrafe verurteilt. Der Jockey hat ein beachtliches Vermögen am Fiskus vorbei auf Geheimkonten transferiert. Außerdem verliert der einstige Lieblingsjockey der Queen seinen von ihr verliehenen Adelstitel wieder.

Nach seiner vorzeitigen Haftentlassung zieht Piggott noch einmal die Reiterstiefel an. Das Comeback gelingt und auch mit weit über 50 Jahren kann er mit der jungen Konkurrenz mithalten. Selbst als er 1992 schwer stürzt, denkt er nicht ans Aufhören. "Er wird davon ausgehen, dass er ja noch einigermaßen gut weggekommen ist", erklärt seine Frau Susan, mit der er seit 1960 verheiratet ist. Einmal mehr setzt sich bei Piggott seine Sturheit gegen die Vernunft durch. Erst im Herbst 1995 mit fast 60 Jahren verlässt er die Turfbahnen. Auf die Frage, welche Erfahrungen er am Ende seiner Jockey-Laufbahn noch machen will, anwortet Piggott gewohnt wortkarg: "Essen."

Stand: 05.11.2015

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