Ein großer gelber Bulle als Symbol für den Börsengang der Deutschen Post

Stichtag

30. Oktober 2000 - Zeichnungsfrist für die Post-Aktie beginnt

Eine Stelle bei der Deutschen Bundespost als Briefträger, Paketbote oder Schalterbeamte verspricht lange Zeit ein sicheres Auskommen - ohne allzu großen Stress. "Da war alles gemütlich, jeder hatte Zeit für alles", erinnert sich Betriebsrat Wolfgang Host an die ersten seiner mehr als 40 Dienstjahre. Die Briefträger halten selbstverständlich einen Plausch auf der Straße, ältere Leute lassen sich am Schalter die Rente bar auszahlen. Man kennt den Postbeamten, der Postbeamte kennt einen.

Doch da ist die Post auch noch ein defizitäres Staatsunternehmen und Wettbewerb ein unbekanntes Wort. Mit der Privatisierung 1995 dreht sich der Wind. Aus der Behörde wird eine Aktiengesellschaft, die an die Börse will. Am 30. Oktober 2000 beginnt die Zeichnungsfrist für die "Aktie Gelb". Obwohl die Stimmung an den Finanzmärkten nicht rosig ist - viele Anleger haben nach dem Börsenhype am Neuen Markt bereits viel Geld verloren - ist die Nachfrage groß. Die Platzierung ist achtfach überzeichnet.

Mitarbeiter durch Aktien beteiligt

Der Gang aufs Parkett spült 6,6 Milliarden Euro in die Bundeskasse. Am ersten Handelstag, dem 20. November 2000, pendelt der Kurs um den Ausgabepreis von 21 Euro. Die Konzernlenker sind zufrieden. "Wir haben unser Ziel erreicht, eine internationale Aktionärsbasis zu schaffen, die unsere Position als globaler Logistik-Dienstleister reflektiert", kommentiert Vorstandschef Klaus Zumwinkel den Börsenstart. Besonders erfreulich sei aus seiner Sicht die rege Teilnahme der Post-Angestellten am Mitarbeiter-Programm.

Die sind allerdings mit der Privatisierung weit weniger zufrieden als der Vorstand. Denn die Arbeitsbelastung nimmt stetig zu. "Heute bleibt keine Luft mehr, um in der Wohnung von älteren Menschen einen Plausch zu halten, so wie das früher Usus war", sagt Betriebsrat Host. Controller im Bonner Postturm bestimmen nun sekundengenau, wie lange es dauern darf, einen Brief ins Haus zu bringen. Das ist knapp bemessen, zudem nimmt durch Wurf- und Warensendungen das Arbeitsvolumen zu."Heute schleppt man das Drei- bis Vierfache weg. Die Belastung ist drei Mal so groß wie vor 30 Jahren", klagt ein Zusteller.

Das große Filialsterben

Auch als sichere Anstellung bis zur Rente gilt ein Arbeitsverhältnis bei der Post längst nicht mehr. Der Konzern schließt immer mehr Filialen, stattdessen übernehmen Kioske, Schreibwarengeschäfte oder Tante Emma-Läden die Geschäfte. Immer wieder protestieren die Mitarbeiter gegen die Arbeitsbedingungen - mit mäßigem Erfolg."Schlechtere Löhne, längere Arbeitszeiten", so fasst Betriebsrat Host die Situation aus Sicht der Arbeitnehmer zusammen.

Niedrigere Personalkosten seien nötig, um weiterhin konkurrenzfähig zu bleiben, argumentiert der Arbeitgegeber. Die Bonner agieren mittlerweile als Post- und Logistikkonzern in mehr als 200 Ländern - und zwar äußerst erfolgreich. Die Deutsche Post DHL Group, wie die einstige Bundesbehörde nun heißt, verbucht 2014 einen Konzerngewinn von mehr zwei Milliarden Euro. Auch die Aktionäre sind zufrieden. Die Aktie-Gelb gilt als solides Investment. An der Börse werden die Papiere 15 Jahre nach dem ersten Zeichnungstag rund 30 Prozent über dem Ausgabekurs gehandelt.

Stand: 30.10.2015

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