Stichtag

17. Oktober 1915 - Dramatiker Arthur Miller wird geboren

Von der Rückbank der chauffeurgelenkten Limousine seines Vaters aus lernt Arthur die Welt kennen. Isidor Miller, der polnisch-österreichische Selfmade-Kleiderfabrikant, der mit seiner Frau nach New York emigriert war, hat es weit gebracht. Für das jüdische Paar und ihren am 17. Oktober 1915 geborenen Sohn Arthur ist der Traum vom Land der unbegrenzten Möglichkeiten wahr geworden.

Gerade 14 Jahre alt erfährt Arthur Miller in brutaler Härte, wie morsch der amerikanische Mythos und wie verlogen seine moralischen Werte sind. Im Börsencrash von 1929 verliert Isidor Miller sein gesamtes Vermögen. Dem rasanten sozialen Absturz der Familie begegnet er mit unerschütterlichem Glauben an die Illusion des "Anything goes". Ein Alptraum, den sein Sohn als Dramatiker 20 Jahre später in seinem Meisterwerk "Tod eines Handlungsreisenden" verarbeitet.

Pulitzerpreis für das "Gewissen Amerikas"

In der beginnenden Depression muss Arthur Miller nun mit Gelegenheitsjobs Geld verdienen. 1934 kann er ein Wirtschaftsstudium aufnehmen, nebenher arbeitet er für eine Studentenzeitung. Er schreibt sein erstes Stück, das ihm 250 Dollar Preisgeld einbringt und veranlasst, lieber Literatur und Drama zu studieren. 1938 macht er den Bachelor of Arts; Angebote als Autor nach Hollywood zu gehen, schlägt er aus. Mit seinem ersten Broadway-Sück "The man who had all the luck" findet Miller sein Grundthema: Einfache Menschen, konfrontiert mit Schuld und Verantwortung, Schicksal und Verweigerung.

Das Sozialdrama wird 1944 preisgekrönt, hat aber keinen Erfolg, die Kritiken sind vernichtend. "Keiner verstand überhaupt, was da gespielt wurde. Sie konnten sich nicht mal vorstellen, worum es eigentlich ging", kommentiert Miller später den Misserfolg. Doch schon sein nächstes Drama "All My Sons" bringt es, zum besten Stück der Saison gewählt, auf 328 Vorstellungen. Der passionierte Naturfreund Miller kann es sich nun leisten, im ländlichen Connecticut ein Refugium mit großem Garten zu beziehen. Dort schreibt er den "Tod eines Handlungsreisenden", den Prototyp der amerikanischen Sozialtragödie. 1949 mit dem Pulitzerpreis ausgezeichnet, wird er international als das "Gewissen Amerikas" gefeiert.

Miller und Marilyn

Als Regisseur Elia Kazan, der das Drama verfilmt hat, vor dem Kongress-Ausschuss gegen "unamerikanische Aktivitäten" Freunde und Kollegen als Kommunisten-Sympathisanten denunziert, legt Miller nach. "Hexenjagd", sein zweiter Welterfolg, entlarvt die Hysterie von religiösen Eiferer und fanatischen Moralaposteln wie den erzkonservativen Senator Joseph McCarthy. Die Folge: 1956 lädt das Komitee auch Miller vor, der es ablehnt zu erscheinen und dafür mit Gefängnis, Passentzug und Geldbuße bestraft wird. Zwei Jahre später wird das Urteil aufgehoben. Weltweite Schlagzeilen produziert der berühmte Dramatiker, als er 1956 Hollywoods größten Star Marilyn Monroe heiratet.

"Wir waren zwei Teile der Gesellschaft. Einerseits sinnlich und lebensfroh – so schien es, und darunter eine Trauer und Tragik. Das galt für uns beide", beschreibt Miller später ihre Liebe, die nur fünf Jahre hält. 1961, ein Jahr vor Marilyns Tod, lässt sich das Paar scheiden. Kurz darauf heiratet der Schriftsteller die renommierte Fotografin Inge Morath. Als integrer Kritiker des American Way of Live erwirbt er sich in einer von Vietnamkrieg und Nixon-Skandal verunsicherten Nation den Ruf einer scharfsichtigen moralischen Instanz. Sein literarisches Spätwerk bezeichnet Marcel Reich-Ranicki als "amerikanisches Welttheater." Als Arthur Miller am 10. Februar 2005 stirbt, würdigt ihn die US-Presse als "einen der letzten öffentlichen Denker, der daran erinnerte, dass die meisten Menschen wenig oder gar nichts wissen über die Mächte, die ihr Leben manipulieren."

Stand: 17.10.2015

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