Undatiertes Foto des Schimpansen Petermann mit Apfel auf dem Kopf

Stichtag

10. Oktober 1985 - Schimpanse Petermann bricht aus dem Kölner Zoo aus

Wann genau Petermanns verpfuschtes Leben begonnen hat, weiß niemand mehr genau. Um 1950 reist er wohl als Baby zusammen mit seiner Mutter auf einem Bananendampfer nach Deutschland. Doch Petermanns Mama stirbt auf See. So landet das Schimpansen-Waisenkind im Kölner Zoo und wird von der Frau des Direktors mit der Flasche aufgezogen.

Ohne tierische Freunde wächst Petermann im doppelten Wortsinn zum Menschenaffen heran, völlig geprägt auf seine vermeintlichen Artgenossen. Drei Jahrzehnte später stirbt er als Ausbrecher durch eine Gewehrkugel, was ihm dauerhaften Nachruhm als "einzig wahrer Anarchist und Freiheitskämpfer Kölns" einbringt. Den Tod vor Augen soll Petermann noch "die linke Faust in den Abendhimmel gereckt haben", erinnert sich Rainer Osnowski, Mitorganisator des Literaturfestes LitCologne.

Vom Gaudi-Äffchen zum kotwerfenden Rüpel

Kaum aus den Windeln heraus, macht Petermann als possenreißendes Wundertier Karriere. Bei Karnevalssitzungen sorgt er in Gardeuniform für Stimmung und saust im Zoo zur Gaudi der Besucher in Lederhosen auf Fahrrädchen und Mopeds herum. Ein Auftritt in der ersten Fernseh-Silvestergala macht ihn sogar bundesweit bekannt. Doch als Petermann in die Pubertät kommt, ist es mit dem Starruhm vorbei. Ganz affentypisch wandelt sich der spaßige Schimpanse zum kraftstrotzenden Rüpel und muss fortan in einem kleinen Käfig sein Dasein fristen. Als der wütende Petermann anfängt, Zoobesucher mit seinem Kot zu bewerfen, baut man ihm auch noch eine Scheibe vor das Gitter.

Nach langen einsamen Jahren bekommt er mit der ebenfalls auf Menschen geprägten Schimpansin Susi etwas Gesellschaft. Der Zoo sammelt nun mit Petermanns Konterfei Geld für ein Menschenaffenhaus; das Spendenkonto läuft sogar auf seinen Namen. Als die neue Bleibe bezugsfertig ist, dürfen Deutschlands einziger Affe mit Bausparvertrag und seine Freundin trotzdem nicht umziehen. Sie sind sozial nicht mehr vermittelbar, haben sie doch nie gelernt, in einer Schimpansengruppe zu leben. Mehr als 30 Jahre vegetiert Petermann in seinem kahlen kleinen Gefängnis dahin, bis sich am 10. Oktober 1985 endlich eine Gelegenheit zur Flucht bietet.

Petermanns Rache

An diesem Tag vergisst ein Hilfspfleger, eine Käfigtür richtig zu verschließen. Petermann erkennt die Chance sofort, überwältigt den Pfleger und bricht mit Susi aus. Zufällig begegnen sie zuerst dem Zoodirektor Gunther Nogge. Beide lassen ihre Aggressionen an dem aus ihrer Sicht ranghöheren Tier aus. Nur weil Nogge sich tot stellt, verlieren die Schimpansen schließlich das Interesse an ihm. Aus zahlreichen Bisswunden am ganzen Körper blutend, kommt Nogge in den OP des Klinikums Merheim. Sieben Stunden brauchen die Chirurgen, um sein Leben zu retten. Der krawallige Petermann überlebt seinen Fluchtversuch nur kurz. Noch auf dem Zoogelände wird der schwer verhaltensgestörte Affe mit einem großkalibrigen Gewehr erschossen.

Auch Susi kommt nicht weit. Von einer Zoo-Nachbarin in deren Garten entdeckt, wird das Tier von der Polizei gestellt und an der Hauswand zur Strecke gebracht. "Es gab keine andere Lösung", bedauert Gunther Nogge die Todesschüsse. "Vielleicht war der Unfall ja die Strafe dafür, dass wir Petermann betrogen haben und nicht ins neue Haus mitgenommen haben." LitCologne-Chef Rainer Osnowski spielt damals als Mittelstürmer in Kölns Bunter Fußballliga. Im Gedenken an Petermanns elendes Leben und Sterben ernennen die Alternativ-Kicker den Schimpansen posthum zum Ehrenvorsitzenden. Noch Jahre später erinnern überall in der Domstadt Graffitis wie "Petermann lebt" an Kölns Anarcho-Affen.

Stand: 10.10.2015

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