Junger Delegierter aus Schwarzafrika bei Weltkindergipfel in New York, 2002

Stichtag

29. September 1990 - Weltkindergipfel in New York beginnt

Schier endlos windet sich der Konvoi gepanzerter Limousinen von 71 Staats- und Regierungschefs durch die Straßen von Manhattan. Ihr Ziel ist das Hauptquartier der Vereinten Nationen am East River. Auf Einladung des UN-Kinderhilfswerks Unicef kommen dort am 29. September 1990 die Vertreter aus über 150 Ländern zum ersten Weltkindergipfel zusammen – mehr als jemals zuvor.

Möglich wurde das Treffen nur durch "ein einmaliges historisches Umfeld", wie Rudi Tarneden von Unicef Deutschland erläutert: "Mit dem Ende des Ost-West-Konflikts rückten plötzlich für einen Moment gemeinsame internationale Ziele in den Mittelpunkt." Am 2. September 1990 hatte die UN-Vollversammlung die Kinderrechtskonvention angenommen. Nun soll der Weltkindergipfel der Konvention öffentliche Aufmerksamkeit und politisches Gewicht verschaffen.

Zehn Grundrechte für Kinder

Die Gipfelteilnehmer verpflichten sich zu durchgreifenden Maßnahmen gegen eine sich tagtäglich abspielende "stille Katastrophe". Am Ende des 20. Jahrhunderts sterben nach Unicef-Schätzungen jeden Tag 40.000 Kinder an Unterernährung, Seuchen und Kriegsfolgen. 100 Millionen Sechs- bis Elfjährige haben keinen Zugang zu Schulbildung, 30 Millionen sind in Megametropolen sich selbst überlassen. Selbst direkt vor der Tür der UN, im reichen New York, leben 40 Prozent der Kinder unterhalb der amtlich festgelegten Armutsgrenze. In 54 Artikeln hat die Kinderrechtskonvention erstmals grundlegende Standards für die Lebensbedingungen von Kindern festgelegt.

Den Inhalt der 20-seitigen Erklärung fasst Unicef in zehn Grundrechten zusammen. Sie definieren unter anderem das Recht auf Leben, Gesundheit und Bildung, den Schutz vor sexuellem Missbrauch und wirtschaftlicher Ausbeutung sowie die Rechte auf gewaltfreie Erziehung, Freizeit, Spiel und Erholung. Nach zwei Tagen erklären die Teilnehmer des Weltkindergipfels feierlich die Umsetzung der UN-Konvention und versprechen, sich für eine bessere Zukunft aller Kinder einzusetzen. Bis zum Jahr 2000 wollen sie die Kindersterblichkeit um ein Drittel senken. 80 Prozent aller Kinder sollen eine Grundschule besuchen können, statt arbeiten zu müssen.

Die USA gegen alle

Im Mai 2002 eröffnet UN-Generalsekretär Kofi Annan den zweiten Weltkindergipfel. Zahlreiche Versprechungen des ersten Gipfels stünden weiterhin nur auf dem Papier, ruft er den Mächtigen der Welt ins Gewissen. Die Kindersterblichkeit wurde zwar deutlich reduziert. Doch mindestens 150 Millionen Kinder sind noch immer unterernährt, 250 Millionen wachsen weiterhin ohne Schulbildung auf, weil sie als Arbeitskräfte ausgebeutet werden oder sich prostituieren müssen, um zu überleben.

Annans Sonderbeauftragter für Kinder in Kriegsgebieten schätzt, dass allein von 1990 bis 2000 rund zwei Millionen als Kindersoldaten starben, sechs Millionen Kinder zu Invaliden wurden und zehn Millionen durch Kriegshandlungen schwere Traumata erlitten haben. Kofi Annan zieht ein unmissverständliches Fazit: "Wir Erwachsenen haben kläglich versagt." Doch auch der zweite Weltkindergipfel endet mit wohlklingenden Absichtserklärungen. Immerhin sind seither fast alle 195 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen der Kinderrechtskonvention beigetreten - so viele wie keiner anderen UN-Konvention. Das einzige Land der Erde, das seine Unterschrift verweigert, sind die Vereinigten Staaten von Amerika.

Stand: 29.09.2015

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