Erich Honecker und Frau Margot bei der Festnahme vor der Berliner Charité

Stichtag

29. Januar 1990 - Ex-DDR-Staatschef Honecker wird verhaftet

Pompös lässt Erich Honecker am 7. Oktober 1989 das 40-jährige Bestehen der DDR zelebrieren. Kritische Worte sind nur vom Ehrengast aus Moskau zu hören: "Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben", warnt Michail Gorbatschow den greisen Staatschef. Nur elf Tage später muss Honecker mit brüchiger Stimme das Politbüro auf Druck seines Zöglings Egon Krentz um den eigenen Rücktritt bitten.

Schlag auf Schlag vollzieht sich nun der Absturz des Mannes, der 18 Jahre lang an der DDR-Spitze jede Reform des Unrechtsregimes abblockte. Nach dem Fall der Mauer müssen Honecker und Ehefrau Margot – noch Ministerin für Volksbildung – ihr Haus in der Waldsiedlung Wandlitz verlassen. Der 77-Jährige wird zu einer Nieren-OP in die Berliner Charité eingeliefert. Am Tag seiner Entlassung, dem 29. Januar 1990, kommen Polizisten mit einem Haftbefehl in Honeckers Klinikzimmer.

Ein Pfarrer gewährt Asyl

Hochverrat, Amtsmissbrauch und Korruption lauten die Vorwürfe, mit denen Ralf Romahn seinen Ex-Staatsratsvorsitzenden konfrontiert - für den Oberstleutnant der Kripo ein unvergesslicher Moment: "Als wir das Zimmer betraten, hat man regelrecht gespürt, wie einsam und allein die Honeckers in diesem Moment waren." Auf Margot Honeckers Frage "Wo können wir denn jetzt wohnen" hat Romahn keine Antwort. Durch ein Spalier von Schaulustigen vor der Charité bringt er seinen Untersuchungshäftling ins Gefängnis Rummelsdorf. Zu eingehenden Verhören aber bleibt Romahn keine Zeit. Ein medizinisches Gutachten attestiert Honecker am folgenden Tag Haft- und Vernehmungsunfähigkeit.

So werden die Honeckers am 30. Januar die prominentesten Obdachlosen der Republik. Ein evangelischer Pfarrer und SED-Gegner aus dem brandenburgischen Lobetal kommt ihnen zu Hilfe. Zehn Wochen nehmen Uwe Holmer und seine Frau das gestrandete Paar bei sich auf. Im April 1990 wird Honecker in das sowjetische Militärhospital in Beelitz verlegt und damit dem Zugriff deutscher Strafverfolger entzogen. Ungehindert kann er im März 1991 mit Ehefrau Margot nach Moskau ausfliegen. "Ich bin ja auf Einladung von Gorbatschow hier", erklärt Honecker und betont, nach Deutschland zurückkehren zu wollen, unter einer Bedingung: "Dass dieser ungesetzliche Haftbefehl aufgehoben wird."

Verantwortlich, aber ohne Schuld

Der Haftbefehl wird nicht aufgehoben. Auf Druck der Bundesregierung müssen die Honeckers sogar Moskau im Juli 1992 wieder verlassen. Die früher als Ministerin gefürchtete Margot darf nach Chile zu ihrer Tochter fliegen, Erich Honecker aber liefern die Russen an Deutschland aus. Ein halbes Jahr später beginnt vor dem Berliner Landgericht der Mammut-Prozess gegen den ehemaligen Staats- und Parteichef, der inzwischen akut an Leberkrebs leidet. Die erweiterte Anklage macht ihn nun auch für den Schießbefehl und die Toten an der Mauer direkt verantwortlich. Äußerlich unberührt übernimmt Honecker die politische Verantwortung, erklärt sich aber "frei von juristischer oder moralischer Schuld".

Honeckers Anwalt Wolfgang Vogel protestiert durch die Instanzen gegen die "inhumane Verhandlung gegen einen Sterbenden". Schließlich urteilt das Landesverfassungsgericht: Das Verfahren, dessen Ende der todkranke Angeklagte aller Wahrscheinlichkeit nicht erlebe, sei mit der Menschenwürde unvereinbar. Am 13. Januar 1993, nach 169 Tagen U-Haft, stellt das Landgericht das Verfahren gegen Honecker endgültig ein. Als freier Mann fliegt der 80-Jährige noch am selben Tag zu Frau und Tochter nach Santiago de Chile. Am 29. Mai 1994 stirbt Erich Honecker dort an seinem Krebsleiden.

Stand: 29.01.2015

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