
NRW-Teams in der 2. Liga - Riesige Ambitionen, unterschiedliche Stimmungslagen
Stand: 22.09.2022, 21:00 Uhr
Alle drei NRW-Klubs wurden vor der Saison als Aufstiegsfavoriten in der 2. Liga gehandelt. So richtig überzeugend lief das erste Viertel der Spielzeit aber nur für den SC Paderborn.
Von Sebastian Hochrainer
Arminia Bielefeld, Fortuna Düsseldorf und der SC Paderborn wollten in dieser Saison ausnutzen, dass es nach dem Aufstieg von Werder Bremen und Schalke 04 kein Team in der 2. Liga gibt, das von vornherein als klarer Favorit auf einen der ersten drei Tabellenplätze gilt. Die drei NRW-Klubs steckten sich hohe Ziele, alle drei wurden auch von der Konkurrenz ins Aufstiegsrennen geredet - doch so richtig darin angekommen ist bisher nur Paderborn.
Paderborn - eine Macht im eigenen Stadion
Der SCP hat es geschafft, sich mit tempo- und risikoreichem Offensivspiel ganz oben im Tableau festzusetzen. Mit 19 Punkten ist das Team von Trainer Lukas Kwasniok derzeit Zweiter hinter dem Hamburger SV (21 Zähler) - und die Torfabrik der Liga. 25 Treffer erzielten die Paderborner, kein Klub war annähernd so erfolgreich, in dieser Statistik folgt der 1. FC Kaiserslautern mit "nur" 18 Toren.

Lukas Kwasniok, Trainer des SC Paderborn
Dass es die Westfalen aber auch minimalistisch können, haben sie schon bewiesen. In Kaiserslautern und gegen den 1. FC Magdeburg gab es 1:0-Siege, aber gerade im eigenen Stadion überwiegt das Spektakel. Gegen den KSC startete Paderborn mit einem 5:0 in die Saison, es folgten ein 4:2 gegen Hannover 96 und ein 7:2 gegen Holstein Kiel.
Überhaupt ist die Heimstärke das große Pfund des Klubs. Fünf Spiele gab es im eigenen Stadion, alle fünf wurden gewonnen - bei einem Torverhältnis von 20:4. Der SCP gewinnt zu Hause bislang also durchschnittlich mit über drei Treffern Vorsprung.
Neuer Vertrag für Kwasniok?
Und so überrascht es kaum, dass die Verantwortlichen des Klubs darüber nachdenken, die Zusammenarbeit mit Kwasniok auszuweiten. Laut "Sport Bild" wollen die Paderborner bald den bis Saisonende laufenden Vertrag bis 2025 verlängern. Kein Wunder, erfüllt der SCP unter dem 41-Jährigen doch gänzlich die Erwartungen. "Wir wollen auf jeden Fall unsere Heimbilanz verbessern - und vielleicht den ein oder anderen Favoriten ärgern", sagte Sport-Geschäftsführer Fabian Wohlgemuth vor der Saison im WDR-Gespräch. Jetzt ist sein Team selbst Favorit.
In diesem Kreis zählte Kwasniok selbst vor allem auch einen NRW-Konkurrenten. "Fortuna Düsseldorf sehe ich auf dem Aufstiegs-Relegationsplatz", sagte er vor der Saison und traf damit auch als Außenstehender die Ambitionen der Mannschaft von Trainer Daniel Thioune perfekt. "Ich spiele Fußball, um Erster zu werden", ist das Credo des 48-Jährigen, der im Februar den Job von Christian Preußer übernommen hatte, Düsseldorf aus dem Tabellenkeller führte und nun die Spitze angreifen will.
Düsseldorf - Auswärtsschwäche und Verletzungen machen Probleme
Den Aufstieg hat die Fortuna längst als Ziel formuliert, sie vermeidet es allerdings, es schon auf diese Saison zu beziehen. Die Ambitionen seien groß, betont Manager Klaus Allofs beispielsweise, der vor zwei Jahren noch deutlich forscher in die Saison gegangen war und nach dem Abstieg aus der Bundesliga den sofortigen Wiederaufstieg ausgerufen hatte - jetzt will man es in Düsseldorf verbal ruhiger angehen lassen.

Daniel Thioune, Trainer von Fortuna Düsseldorf.
Die tabellarische Konstellation passt zu der Zurückhaltung, die Hauptstädter haben es noch nicht geschafft, ganz oben anzukommen. Das Thioune-Team bewegt sich im Dunstkreis der Tabellenspitze, schafft es bisher aber nicht, eine Serie zu starten, die sie Richtung Aufstiegsplätze bringt. Nach dem Start mit zwei Siegen in Magdeburg und gegen Paderborn (beide 2:1) gab es keine zwei Erfolge mehr am Stück, vor allem auswärts enttäuscht Fortuna.
Dämpfer in Hamburg
Die Schere zwischen Heimstärke und Auswärtsschwäche geht zu weit auseinander. Seit Thiounes Amtsantritt hat Düsseldorf kein Spiel im eigenen Stadion verloren, in fremden Arenen aber auch erst zweimal gewonnen. Zuletzt war Fortuna beim Kräftemessen mit dem HSV in Hamburg beim 0:2 komplett chancenlos.
Das liegt aber auch an einer enormen Verletzungsproblematik, ein Vielzahl von Stammspielern fiel zuletzt aus. "Vielleicht brauche ich dann an so einem Abend auch den ersten Anzug, um hier bestehen zu können", sagte Thioune nach der HSV-Pleite. Unter anderem Kapitän Andre Hoffmann und Stürmer Daniel Ginczek fehlten, zudem gab es viele angeschlagene Profis wie Rouwen Hennings, die notdürftig aushelfen mussten.
Bielefeld - Scherning muss erst den Absturz verhindern
Trotzdem läuft Fortuna den eigenen Erwartungen hinterher. Selbiges gilt aber noch deutlich extremer für Arminia Bielefeld. Der Bundesliga-Absteiger wurde unter anderem von Thioune als Kandidat auf die ersten drei Plätze gesehen, doch in den ersten Wochen der neuen Saison mussten sich die Arminen vor allem mit Sorgen beschäftigen, im Mai 2023 nicht sogar den Gang in die 3. Liga antreten zu müssen.
Bielefeld startete mit vier Niederlagen in die Saison und sah sich schon früh gezwungen zu handeln. Uli Forte, erst in der Sommerpause als Trainer verpflichtet, wurde nach dem 0:2 gegen den HSV, das die Vier-Pleiten-Serie besiegelte, entlassen. Daniel Scherning hat sein Amt übernommen, er kam vom Drittligisten VfL Osnabrück - und hat zumindest dafür gesorgt, dass die größten Sorgen in Bielefeld erstmal vergangen sind.

Acht Punkte holte sein Team in den fünf Spielen unter ihm, ist aufgrund der Startbilanz zwar nach wie vor Teil des unteren Tabellendrittels, aber tendenziell auf dem Weg nach oben. Dabei ist er mit einer großen Portion Respekt an die neue Aufgabe gegangen. "Mir ist bewusst, dass es eine Herausforderung ist und wird, aber ich bin niemand, der davor Angst hat. Ich stelle mich der Situation und das erwarte ich auch von allen Spielern, dem Staff und den Mitarbeitern", sagte Scherning.
Mit "total viel Selbstvertrauen" in die Länderspielpause
Und das ist offenbar geschehen, Bielefeld hat vorerst die Wende geschafft. Vor allem das 1:1 beim Spitzenteam Darmstadt 98 und der jüngste 4:2-Erfolg gegen Holstein Kiel haben für Begeisterung gesorgt und dem Team die verlorene Sicherheit zurückgebracht. Der Sieg gebe "total viel Selbstvertrauen, jeder hat gespürt, was auch mit den Fans im Rücken möglich sein kann", sagte Verteidiger Oliver Hüsing.
Um aber noch in die Sphären vorzustoßen, in denen viele die Bielefelder in dieser Saison wähnten, ist der Weg schon weit - zu weit? Zehn Punkte hat Arminia Rückstand auf Relegationsplatz drei, eine Serie müsste her, um doch noch einmal die einst großen Ambitionen hervorzuholen. In Düsseldorf und Paderborn sind die trotz unterschiedlicher Stimmungslagen nach wie vor präsent.