Im Politikbetrieb sind 100 Tage Grund für eine erste Bilanz der Arbeit. Im Profifußball ist die Zeit bekanntlich noch viel schnelllebiger, dennoch lohnt es sich nach dieser Zeit auch mal beim FC Schalke 04 genauer hinzusehen, wie sich der Klub unter der Ägide von Thomas Reis entwickelt hat. Seit Ende Oktober steht der 49-Jährige an der Seitenlinie der Königsblauen - und die Schalker mit ihm auf dem letzten Tabellenplatz der Bundesliga.
Damit hat sich auf den ersten Blick eigentlich nichts geändert. Schalke ist auch unter Reis abgeschlagen und taumelt dem Abgrund 2. Liga entgegen. Viel besorgniserregender: Damals betrug der Abstand zum rettenden Platz 15 noch drei Zähler, mittlerweile sind es sogar acht Punkte Differenz. Die Perspektive ist also nicht gerade besser geworden.
Schalke will "eklig" sein
Doch beim genaueren Hinsehen lassen sich einige positive Entwicklungen innerhalb des Teams beobachten. Reis kann anders als sein Vorgänger Frank Kramer darlegen, wie die Spielweise seines Teams aussehen soll.
Schalke soll "nicht mit Köttel in der Buxe auflaufen"
Sportschau. 09.02.2023. 00:53 Min.. Verfügbar bis 09.02.2024. Das Erste.
Unermüdlicher Einsatz, hohes Pressing, schnelles Umschaltspiel, das Spiel des Gegners zerstören. Nicht schön, aber möglichst effektiv. "Wir wollen eklig sein", sagt Reis glaubwürdig über die gewünschte Herangehensweise.

Kouadio Kone (l.) von Borussia Mönchengladbach im Duell mit dem Schalker Soichiro Kozuki.
Diese Attribute haben seine Spieler bei sieben von acht Partien unter seiner Anleitung umgesetzt. Lediglich beim 1:6 gegen das an diesem Tag übermächtige RB Leipzig brachen alle taktischen Dämme. Aber auch Reis musste die (geringen) Qualitäten der Profis verwalten, die der ehemalige Sportdirektor Rouven Schröder, der den Klub unerwartet und spontan Ende Oktober geradezu fluchtartig verlassen hatte, zur Verfügung gestellt hatte.
Dem Trainer ist es bis zum Jahreswechsel dennoch gelungen, die innere Haltung der Mannschaft herzustellen, auch wenn dabei nur ein Sieg herausgesprungen ist (1:0 gegen Mainz 05).
Sieben günstige Nachbesserungen
Jetzt, nachdem der Klub auf finanziell bescheidenem Niveau (rund 450.000 Euro Leihgebühr) erheblich nachgebessert und gleich sieben Spieler in der Winterpause ausgeliehen hat, scheinen sich die Perspektiven wieder zum Positiven verschoben zu haben. Mehr war finanziell offenbar nicht drin. Dennoch: Die Statik der Mannschaft scheint deutlich verbessert und robuster zu sein.
Noch haben sich die Schalker und Reis nicht aufgegeben, was nicht zuletzt an den beiden torlosen Remis gegen den 1.FC Köln und Borussia Mönchengladbach zu beobachten war. Reis und sein Team standen jeweils auf der Schwelle zu einem Sieg - aber ihnen gelang kein Treffer. Immerhin: Der S04 wirkt erstmals in dieser Spielzeit auf Augenhöhe mit den Gegnern - und nicht wie eine öffentlich zugängliche Schießbude.
Nicht konkurrenzfähige Tor-Bilanz
Doch das größte Manko bleibt bestehen: 14 erzielte Tore in 19 Bundesligapartien sind keine konkurrenzfähige Bilanz. Drei Treffer in acht Partien unter Reis sind zudem mehr als ernüchternd. "Wir müssen einfach mehr Tore erzielen", sagt der stets höfliche Reis nach so gut wie jedem seiner Spiele. Einen Hebel, ein Mittel zum regelmäßigen Erfolgserlebnis hat aber auch der Coach noch nicht finden können.
Sollte der Weg der Schalker erneut in die 2. Liga führen, wollen die Vereinsverantwortlichen mit Reis weiterarbeiten. Der Grund: Es besteht die Hoffnung darauf, dass Reis Kontinuität und Ruhe in den Kader bekommt - anders als vor zwei Jahren beim geradezu leblosen Bundesligaabstieg.
"Wir haben einen Trainer, der hundertprozentig zu Schalke passt, weshalb ich mit Thomas Reis auch in die 2. Liga gehen würde, das ist die klare Haltung des Vorstands", sagt S04-Vorstandsvorsitzender Bernd Schröder.
Letzte Rettung Wolfsburg?
Aber noch ist es nicht soweit: Gegen den VfL Wolfsburg geht es für die Schalker am Freitagabend (20.30 Uhr) darum, die vermeintlich letzte Chance beim Schopfe zu packen, um vielleicht doch noch ernsthaft in den Nicht-Abstiegskampf eingreifen zu können. Oder wie Sport-Vorstand Peter Knäbel es formuliert: "Wir müssen so langsam ins Gewinnen kommen."