Pläne zum "Kommunal-Soli" vorgestellt

Zur Kasse, bitte!

Stand: 20.08.2013, 15:00 Uhr

Zehn Milliarden Euro mehr Schulden in nur vier Jahren: Die Finanzlage vieler NRW-Kommunen wird einer Studie zufolge immer bedrohlicher. Ab 2014 soll ein "Kommunal-Soli" die finanzstarken Städte zur Kasse bitten und arme Kommunen entlasten.

Von Christian Wolf

Den Reichen nehmen und den Armen geben: Nach diesem Prinzip will die rot-grüne Landesregierung ab dem kommenden Jahr die Finanzhilfen für angeschlagene Kommunen neu gestalten. Erstmals sollen steuerstarke Gemeinden mit einer Solidaritätsumlage die schwächeren Kommunen unterstützen. Kommunalminister Ralf Jäger (SPD) gab am Dienstag (20.08.2013) bekannt, wer herangezogen werden soll.

60 Städte und Gemeinden müssen zahlen

Die Liste umfasst 60 Städte und Gemeinden und reicht von Monheim am Rhein (rund 46 Millionen Euro) und Düsseldorf (rund 27 Millionen Euro) bis zu Blomberg (31.600 Euro) und Inden (4.500 Euro). Wer wie viel zahlen soll, hängt vom jährlichen Steuerkraftüberschuss ab. Rund ein Viertel davon will das Land für seinen Stärkungspakt Stadtfinanzen abzapfen. Insgesamt sollen durch den "Kommunal-Soli" 182 Millionen Euro pro Jahr reingeholt werden. Zeitgleich sollen die Zuweisungen des Landes an die Kommunen mit 9,3 Milliarden Euro auf ein Rekordniveau steigen. "Nur wenn Land und Kommunen an einem Strang ziehen, haben hoch belastete Städte und Gemeinden wieder die Chance, zu einer selbstbestimmten Haus­haltspolitik zurückzukommen", sagte Jäger. Monheims Bürgermeister kündigte aber bereits eine Klage an.

Übersicht: Wer zahlt?
GeberBetrag (gerundet)
Monheim46,5 Mio.
Düsseldorf27 Mio.
Ratingen8,5 Mio.
Straelen7,9 Mio.
Verl7,6 Mio.
Burbach6,1 Mio.
Langenfeld5,9 Mio.
Halle (Westf.)5,1 Mio.
Hilden4,4 Mio.
Kreuztal3,7 Mio.

Die Opposition lehnt den "Kommunal-Soli" kategorisch ab und spricht von einer "rot-grünen Strafaktion für solide wirtschaftende Kommunen". "Der Innenminister setzt damit eine Abwärtsspirale in Gang: Wenn demnächst auch die gut wirtschaftenden Kommunen in finanzielle Schieflage geraten, wird es den heute schon verschuldeten Kommunen kein Stück besser gehen“, sagte der kommunalpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, André Kuper. Der Städte- und Gemeindebund wirft dem Land vor, sich aus der Verantwortung zu stehlen.

Schulden wachsen und wachsen

Wie dramatisch die Haushaltslage tatsächlich ist, zeigt eine am Dienstag veröffentlichte Studie der Bertelsmann Stiftung. Demnach betrug die Gesamtverschuldung der nordrhein-westfälischen Kommunen Ende 2011 gewaltige 47,8 Milliarden Euro. Das sind über zehn Milliarden Euro mehr als 2007. Besonders alarmierend: Fast die Hälfte aller Schulden sind sogenannte Kassenkredite. Sie gelten als Kern der kommunalen Finanzkrise, weil sie nur der kurzfristigen Liquiditätssicherung dienen und nicht für dringend benötigte Investitionen genutzt werden.

WDR-Wirtschaftsexperte: Strukturelle Probleme sind Schuld

Nach Einschätzung des WDR-Wirtschaftsexperten Wolfgang Otto verdeutlicht die Studie die strukturellen Schwierigkeiten einiger Kommunen. "Die Verschuldung ist ein Dauerproblem, das sich nicht durch das Auf und Ab der Konjunktur über die Jahre regelt", sagt er. Im Untersuchungszeitraum habe es sowohl Phasen der Hochkonjunktur als auch des Abschwungs durch die Finanzkrise gegeben. Im Idealfall hätte sich automatisch ein Ausgleich ergeben.

Dass dies bei einigen NRW-Kommunen aber nicht funktioniert, führt Otto auf die Gewerbesteuer zurück. Sie ist für Städte und Gemeinden noch immer die Haupteinnahmequelle und schwankt je nach Wirtschaftslage. Geht es den Unternehmen gut und sie machen kräftig Gewinne, sprudeln in den Rathäusern die Einnahmen. Läuft es schlecht, brechen die Erlöse ein. Stimmt das Verhältnis zwischen beidem, steht am Ende eine schwarze Null. "Unabhängig vom Konjunkturzyklus gibt es aber einige Kommunen, die sich über einen längeren Zeitraum immer verschulden, weil sie zu wenige Steuereinnahmen haben", sagt Otto. Dort fehlten die großen Wirtschaftsunternehmen und der gesunde Mittelstand. Hinzu kämen hohe Sozialausgaben, die getragen werden müssten. "Wir haben einige Kommunen, da gibt es ein echtes strukturelles Problem, und die kommen aus eigener Kraft nicht aus den Miesen heraus."

Dazu zählen vor allem die Städte im Ruhrgebiet. An der Spitze der höchstverschuldeten Städte Deutschlands steht laut der Studie Oberhausen mit 6.870 Euro pro Einwohner. Unter den Top Ten der schlechtesten Städte finden sich gleich fünf aus NRW. Denen stehen aber auch gesunde Regionen wie das Münsterland und Ostwestfalen gegenüber.

Kein Geld für Straßen oder Schulen

Doch was bedeutet das alles für die Kommunen und deren Einwohner? Wenn schon die laufenden Ausgaben nur über Kassenkredite geschultert werden können, fehlt das Geld für freiwillige - aber genauso wichtige - Ausgaben in Schulen, Straßen, Schwimmbäder oder Theater. "Es entsteht ein Teufelskreis: Kommunen mit hohen Dispokrediten senken automatisch ihre Kredite für Investitionen. Dadurch verschlechtern sich aber die Zukunftsaussichten und es wird noch schwerer, Unternehmen anzusiedeln", sagt Otto. Statt aktiv zu gestalten, können die Gemeinden nur noch notdürftig verwalten. Untermauert wird dies in der Bertelsmann-Studie durch die bundesweit niedrigsten Bauausgaben in NRW.

Derzeit profitieren die verschuldeten Städte und Gemeinden noch von den äußerst niedrigen Zinsen. Das kann sich irgendwann aber auch ändern. Alleine können sich die Kommunen laut der Studie nicht aus der Schuldenfalle befreien. Da helfe nur ein gemeinsamer Kraftakt von Bund, Ländern, Kommunen und Bürgern, heißt es. Zusätzlich empfehlen die Autoren eine Schuldenbremse für die Kommunen, um die Haushaltsdisziplin zu erhöhen.