
Der Deutsche Hörbuchpreis 2023: Die Besten wurden ausgezeichnet
In sieben Kategorien wurde am Dienstagabend (28.02.2023) der Deutsche Hörbuchpreis verliehen. Eine WDR-Produktion erhielt den Preis für den besten Podcast. Die feierliche Verleihung fand im Rahmen einer Live-Radio-Show bei WDR 5 statt. Wir stellen Ihnen hier alle Gewinnerinnen und Gewinner vor.
Durch den Abend mit Gesprächen und Ausschnitten aus den prämierten Titeln führte WDR 5-Moderatorin Rebecca Link. Musikalisch begleitete die WDR Big Band Small Group die Preisverleihung.
Die ganze Sendung finden Sie hier zum Nachhören.
Das sind die Gewinnerinnen und Gewinner:
Beste Interpretin
Nina Hoss für "Zur See" von Dörte Hansen (Random House Audio)

Schauspielerin Nina Hoss sei im "Meer der Stimmen" wie eine Insel: herausragend und mit klaren Konturen, substanziell stark und elegant zugleich, lobt die Jury. Mit ihrer souveränen Lesung von Dörte Hansens "Zur See" habe sie ein ganz eigenes Kunstwerk geschaffen. Die Bestsellerautorin erzählt in ihrem dritten Roman die Geschichte der alteingesessenen Insel-Familie Sander, deren Leben sich im Laufe eines Jahres von Grund auf verändert – erst kaum spürbar, dann mit voller Wucht. Nina Hoss gestalte die Tiefe und Breite des Textes mit jeweils angemessener Schroffheit oder Milde und einer nahezu greifbaren Empathie für die Figuren, lautet das Urteil der Preisträger-Jury.
Bester Interpret
Max von Pufendorf für "Ich ist ein anderer" von Jon Fosse (Hörkultur Verlag)

"Wir konnten unsere Ohren nicht von ihm lassen", schwärmt die Jury. Max von Pufendorf liest den Roman "Ich ist ein anderer" des norwegischen Autors Jon Fosse, in dem dieser mit den Möglichkeiten alternativer Lebensläufe spielt. Kein einfaches Werk – mit Bandwurmsätzen, ohne einen einzigen Punkt, dafür mit unzähligen Kommata – , das jedoch einen kolossalen Sog entfalte, so die Juror:innen. "Mit seiner klaren, warmen Stimme kleidet Max von Pufendorf trotz der kargen Erzählweise jeden Charakter in eindringliche Farben und gibt dem Text Struktur, ohne den Sog zu stoppen."
Bestes Hörspiel
"Bonjour tristesse" nach Françoise Sagan, Regie: Ulrich Lampen (Der Audio Verlag/ hr)

Ulrich Lampen erweckt Sagans einstigen Skandal-Roman als sinnliches Hörspiel wieder zum Leben. Sofort tauche man in die Idylle an der Côte d’Azur ein, in der die 17-jährige Cécile und ihr Vater das leichte Leben zelebrieren, beschreibt die Jury. Doch das hat ein Ende, als der Vater sich in die vernünftige Anne verliebt. Und Cécile, in Sorge um ihr bisheriges Leben, eine Intrige plant. Es geht um Sehnsucht, Sinnlichkeit, Erwachsenwerden und das Ringen um Freiheit. "Ulrich Lampen findet Dialoge, die alles in der Schwebe halten, kein Wort zu viel, ein Halbsatz ist oft mehr als genug." Das Hörspiel wirke auch deshalb so lebensnah und überzeugend, weil jede Figur mit ihren Sehnsüchten ernst genommen wird, lautet das Jury-Fazit.
Bestes Kinderhörbuch
"Sansaria. Träume der Finsternis" von Tania Messner, vorgetragen von Jona Mues (Oetinger Audio)

"Wir finden es super, wie lebendig und liebevoll Jona Mues den Text liest", begründet die Kinderjury ihre Entscheidung. Jona Mues habe beim Lesen genau das richtige Tempo und sich eine eigene Stimme für all die verschiedenen Figuren ausgedacht. So könne man der Geschichte auch über fast elf Stunden mit Spannung zuhören. Es geht darin um den elfjährigen Leonard Federspiel, der nachts aus seinem Bett fällt und in einer fantastischen Welt landet. Er muss nicht nur Sansaria retten, sondern auch die Träume der Menschheit.
Beste Unterhaltung
"Eine Frage der Chemie" von Bonnie Garmus, gelesen von Luise Helm (Hörbuch Hamburg/ Osterwoldaudio)

Autorin Bonnie Garmus hätte sich für ihr Buch "Eine Frage der Chemie" keine bessere Interpretin wünschen können, ist die Jury begeistert. Sprecherin Luise Helm verschmelze regelrecht mit der Romanfigur. "Sie lässt die Welt der Protagonistin und ihr turbulentes Leben plastisch auferstehen und bereitet dem Text hier gekonnt die Bühne." Es geht um die prüden 60-er Jahre in den USA und eine besondere Frau – Elizabeth Zott – , die gegen viele Widerstände Chemikerin werden will, alleinerziehende Mutter ist und schließlich Überraschungsstar einer Kochshow wird. "Durch die Symbiose von Text und Stimme ist hier buchstäblich ein Stück bester Unterhaltung gelungen", lobt die Jury.
Das besondere Hörbuch
"Der Ring des Nibelungen" nach Richard Wagner, Regie und Bearbeitung: Regine Ahrem (Der Audio Verlag/ rbb)

Richard Wagners "Der Ring des Nibelungen" zählt zu den größten Bühnenkunstwerken der Operngeschichte. Regisseurin und Dramaturgin Regine Ahrem hat aus Wagners 16-stündigem Opernzyklus ein fünfstündiges Fantasy-Hörspiel gemacht.
"Spielfreudig besetzt mit Lars Rudolph als Zwergenkönig Alberich, Bernhard Schütz als Wotan, den 'Herrn der Verträge', und Dimitrij Schaad als Siegfried geht die Sache für die wechselnden Herren des Rings eher schlecht aus", beschreibt die Jury, "während die naturverbundenen Frauen Bibiana Beglau als Brünhilde, Martina Gedeck als Fricka, Kathrin Angerer als Freia und Regina Lemnitz als Erda die Welten im Gleichgewicht halten müssen."
Akustischer 3-D-Effekt dank moderner Kunstkopf-Aufnahmetechnik, der Mix aus orchestralen Wagner-Original-Passagen und neu komponierter Musik von Felix Raffel sorgen für ein ungewohntes Hörerlebnis. Das hebe das Hörspiel formal wie inhaltlich auf die Höhe der Zeit, so das Jury-Fazit.
Bester Podcast
"17 Tage Scheitern – Wie Freiwillige in Afghanistan aushalfen", von Mohamed Amjahid (WDR)

Dieser Podcast über die Rettung einer afghanischen Polizistin in Kabul sei ein "Zeitdokument im besten Sinne", bilanzieren die Juror:innen. Nachdem 2021 die US-Truppen und ihre Verbündeten aus Afghanistan abzogen und die Taliban die Macht in Kabul übernommen hatten, sahen sich plötzlich viele Afghaninnen und Afghanen in Lebensgefahr. Während die damalige Bundesregierung wertvolle Zeit verlor und sich in Kabul dramatische Szenen abspielten, half ein Netzwerk aus Freiwilligen Afghaninnen und Afghanen bei der Ausreise – und rettete somit ihr Leben.
"Die Inszenierung und das Sounddesign unterstützen die Dokumentation der Geschehnisse aus dem Herbst 2021 und lassen auch Raum für die Sprachlosigkeit angesichts der dramatischen Ereignisse", sagt die Jury. "Wir erleben Weltgeschichte im Kleinformat – und lernen dabei mehr über die Zusammenhänge, als die Nachrichten allein erzählen können."
Litcologne ist eröffnet
Der Deutsche Hörbuchpreis würdigt seit jeher die Stärken des akustischen Mediums und zeichnet deutschsprachige Hörbuchproduktionen aus, die diese in besonderer Weise herausstellen. Die Preisverleihung bildet traditionell auch den Auftakt zum internationalen Literaturfest Litcologne, das vom 1. bis 11. März stattfindet – mit zahlreichen Lesungen, Diskussionsrunden und prominenten Gästen. Nilz Bokelberg, Moderator und Podcaster, hat beim Hörbuchpreis-Abend offiziell die Litcologne eröffnet.
Redaktion: Tobias Habig und Moritz Folk