Karl Lauterbach, Bundesminister für Gesundheit, stellt die Reformvorschläge für die Krankenhausversorgung vor. Dabei sitzt er vor einem blauen Hintergrund, vor ihm auf dem Podium sein Namensschild. Die Hände streckt er vor sich aus und blickt nach vorne.

Lauterbach loben

In die erste Reihe hat es Karl Lauterbach als Corona-Warner geschafft. Aber er bleibt nicht dabei stehen. Das kann man mal würdigen, findet Peter Zudeick: dass der Minister die großen Baustellen eines undankbaren Ressorts angeht.

Von Peter Zudeick

Wir wollen Karl Lauterbach auch mal loben. Sonst tut’s ja keiner. Denn er ist nicht nur der Corona-Apokalyptiker, der mit seinen Schreckensvisionen die Leute nervt und häufig ziemlich schief liegt. Den Spott dafür hat er sich redlich verdient. Nein, er macht auch was. Alles falsch, versteht sich, aber das ist in dem Haifischbecken, das sich Gesundheitssystem nennt, völlig normal. Da tummeln sich so viele Beteiligte, spielen so viele Interessen mit, dass man’s nur falsch machen kann.

Lauterbach und die Ökonomisierung des Gesundheitssystems

Nicht zuletzt ökonomische Interessen. Seit Jahren wird über die Ökonomisierung des Gesundheitssystems gejammert, und Karl Lauterbach ist der erste, der was dagegen tut. Ob das nun auch wieder völlig verkehrt ist, wird man in zehn bis fünfzehn Jahren sehen. Denn hier geht es um einen Strukturwandel, der nur allmählich greifen kann.

Die aktuellen Probleme der Kinderkliniken zum Beispiel sind nicht aus heiterem Himmel entstanden, sie sind eine Folge der langjährigen Unterfinanzierung der Kinder- und Jugendmedizin. Vorige Woche hat der Bundestag 300 Millionen Euro zusätzlich für Kinderkliniken für die nächsten beiden Jahre beschlossen. Das ist eine Akutmaßnahme. Für die grundsätzlich bessere Finanzierung braucht man einen langen Atem und viele gutwillige Mittäter.

Reicht es für eine nachhaltige Strukturreform?

Die sukzessive Aufhebung der Fallpauschale ist das nächste dicke Brett. Wenn es sich nicht mehr lohnt, schnell noch ein paar Knieoperationen reinzunehmen, wenn zum Beispiel das Vorhalten einer Notaufnahme und grundlegender ärztlicher Versorgung angemessen honoriert wird, dann sind wir schon einen Schritt weiter auf dem Weg zur Ent-Ökonomisierung. Ambulante Operationen in dafür spezialisierten Zentren und eine gestaffelte Versorgung in drei Krankenhaustypen – das hört sich alles vernünftig an, und es muss sich nun zeigen, dass auch etwas Vernünftiges daraus wird.

Dass Lauterbach als Mann mit der Posaune nun gleich von  Revolution reden muss – geschenkt. Wenn eine ordentliche, nachhaltige Strukturreform zustande käme, wollen wir’s zufrieden sein und den Minister auch hinkünftig loben. Hin und wieder.

Lauterbach loben

WDR 5 Politikum - Kommentar 06.12.2022 02:06 Min. Verfügbar bis 06.12.2023 WDR 5 Von Peter Zudeick


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Redaktion: Morten Kansteiner