Betende Hände vor dem Himmel

Was ändert sich, wenn wir leben, als ob es einen Gott gäbe?

Die Kirchenaustritte sind auf Rekordhöhe, zugleich ist die Sinnsuche ein gesellschaftliches Thema, das immer bedeutsamer wird. Und die Gottesfrage, so scheint es, hat sich für Viele immer noch nicht erledigt, allen Unkenrufen zum Trotz. Welche Bedeutung hat der Glauben in einer Zeit, die von Krisensymptomen und von Unsicherheit geprägt ist?

Spiritualität ist hoch im Kurs – und zugleich hoch umstritten. Schließlich leben wir in einer Gesellschaft, die auf das Primat der Rationalität und auf das der Naturwissenschaften setzt. Ganz abgesehen vom Kapital. Wie kann es sein, dass der Glauben trotzdem nicht längst nurmehr ein Thema von Vorgestern ist?

Der Philosoph Sebastian Kleinschmidt

Der Philosoph Sebastian Kleinschmidt

Vermutlich hat das auch damit zu tun, dass sich der Glauben rational nur bis zu einem gewissen Punkt erklären lässt, weil er eine Gefühlssache ist. Es gibt dreierlei Weisen, wie sich der Mensch auf Gott beziehen kann, sagt der Philosoph und Essayist Sebastian Kleinschmidt: "In Gestalt seiner Realitätsbejahung, in Gestalt seiner Realitätsverneinung, im Exempel seiner Realitätsvermutung."

Es gibt also mit Blick auf die Glaubensfrage drei verschiedene Modi: Einen Zustand des Glaubens, einen des Unglaubens und einen Status der Annahme. Aus diesem letzten Zugang entwickelt Sebastian seine Theologie des Als ob: "Religion ist diejenige Gestaltung des Lebens, die sich aus der Fiktion ergibt, als ob es ein höchstes Wesen gäbe, dem man Rechenschaft schuldig ist, obschon man weiß, dass ein solches Wesen nicht existiert."

Diese "Brückentheologie für religiös Unentschiedene" ermöglicht einen Glauben und religiöse Praxis auch dann, wenn sich Widersprüche und Ungereimtheiten im Abgleich mit dem naturwissenschaftlichen Weltbild auftun. So lässt sich, davon ist Sebastian Kleinschmidt überzeugt, Halt finden in einer krisenhaften, teils apokalyptisch anmutenden Zeit.

Wie stellt sich die Gottesfrage in unseren Zeiten? Könnte eine "Theologie des Als ob" ein zeitgemäßes Konzept sein? Woran glauben Sie?

Hörer:innen können mitdiskutieren unter 0800 5678 555 oder per Mail unter philo@wdr.de.

Redaktion: Gundi Große