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Der Einzelne ist Einsam – inmitten der vielen Anderen. Dieses Phänomen wird seit dem Aufkommen des Industriezeitalters beschrieben, und in unseren Zeiten des digitalen Miteinanders der sozialen Medien scheint es sich sogar noch verstärkt zu haben. "Jeder steht in seiner Vereinzelung dem Schicksal aller anderen fremd gegenüber", so hat es der Philosoph Alexis de Tocqueville schon in den 1830er Jahren ausgedrückt. Gemeint ist nicht eine gewählte Einsamkeit, sondern eine strukturelle, die den modernen Gesellschaften innezuwohnen scheint: die kollektive Einsamkeit. Das liegt auch daran, dass die Individualisierung einher geht mit einem Bedeutungsverlust von Strukturen und Bindungen.

Martin Hecht, Publizist
Hinzu kommt, dass die moderne Gesellschaft zunehmend aufs Ich statt aufs Wir konzentriert ist, wir leben in einer Wettbewerbsgesellschaft. Individualisierung hat viele Vorzüge, aber sie führt auch zu einer individuellen Bedeutungslosigkeit und zu sozialer Isolation. Das wiederum kann zu Frust, Aggression – und Protest führen. Bis hin zur Radikalisierung: Die Einsamkeit der so Gekränkten wird von nicht als persönliches Problem oder Unglück gedeutet, sondern als feindlicher Akt der Anderen. Eine weitere Zerreißprobe für die Gesellschaft. Wie können wir dem begegnen? Es braucht neue Formen von sozialer Anerkennung, sagt der Politologe Martin Hecht. Mehr Durchlässigkeit. Und eine neue Definition von Individualität: eine, die sich der Risiken der strukturellen Einsamkeit bewusst ist und damit umzugehen lernt.
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Ist Einsamkeit der Preis, den wir für unsere Individualität zu zahlen haben? Was bedeutet das für die Gesellschaft? Wie gehen Sie mit Ihrer Einsamkeit um?
Hörer*innen können mitdiskutieren unter 0800 5678 555 oder per Mail unter philo@wdr.de
Redaktion: Gundi Große
Literaturhinweis: Martin Hecht: Die Einsamkeit des modernen Menschen: wie das radikale Ich unsere Demokratie bedroht. Dietz Verlag, 2021.