
Welche Bedeutung schreiben Sie der Null zu?
Der Umgang mit der Null ist heute eine Selbstverständlichkeit. Viele Jahrhunderte lang spielte sie allerdings keine Rolle. Dieses Nichts, für das sie letztlich steht, war sogar kaum denkbar. Dabei bergen die Null und das Nichts genauer betrachtet ein überraschend großes Potential: es ist (fast) unendlich.
Die Null ist eine ganze Zahl und sie ist gerade, als einzige reelle Zahl ist sie weder positiv noch negativ. Da deutet sich schon an, dass sie auf jeden Fall eine ganz besondere Zahl ist.

Der Philosoph Christoph Quarch
Ohne die Null wäre jedenfalls mathematisch Vieles unmöglich. Unter anderem ein Rechnen im Dezimalsystem. Weshalb die Null als eigene Ziffer im 16. Jahrhundert eine Selbstverständlichkeit wurde, dahinter steckten die Theorien des Mathematikers Adam Ries. In der Antike dagegen hatte die Null mathematisch keine Bedeutung. Das hatte, meint der Philosoph Christoph Quarch, sicher auch damit zu tun, wie das Denken der Antike zum Sein und zum Nicht-Sein positioniert war: "Die Griechen waren Seinsversessen; auch ihre Götter waren nicht außerhalb, sondern mitten in dieser Welt."
Sein oder Nicht-Sein, das wurde allerdings dann zum Beispiel auch in der Logik eine wichtige Frage. Was kann das Nichts sein in einer Welt, die voll aufs Sein setzt? Eventuell ist dieses Nichts ja auch die Summe der Optionen dessen, was noch möglich ist. Der Gedanke stammt aus der Metaphysik von Platon: Das Nichts als Potential.
Ein Gedanke, den der Philosoph Friedrich Nietzsche mit seinem Nihilismus in die Moderne übersetzte: Wir leben in einer Gesellschaft, die ihrer Werte verlustig gegangen ist. Aber aus diesem "Schlund des Nichts" können auch Welten erwachsen. Und vielleicht braucht es ja sogar manchmal so etwas wie eine "Stunde Null", um eine Krise meistern zu können.
Veranstaltung vom 29. Oktober 2022 im Arithmeum, Bonn
Redaktion: Gundi Große