
"Lügen über meine Mutter" von Daniela Dröscher
Stand: 09.03.2023, 10:20 Uhr
Wenn man sich in Berlin-Mitte in die "Sperlingsgasse" verirrt, steht man vor öden Plattenbauten. Sämtliche historischen Gebäude waren nach dem Krieg zerstört und wurden bis 1964 abgerissen. Und so finden sich dort heute keine Spuren von einem der bekanntesten Romane des 19. Jahrhunderts: Wilhelm Raabes "Chronik der Sperlingsgasse".
Die Kindheit der kleinen Ela im beschaulichen Dorf könnte so schön sein, wären da nicht die ständigen Streitereien der Eltern. Der Vater hält ihre Mutter für zu dick, wirft ihr vor, wegen ihrer Figur seine Karriere zu behindern, und zwingt sie zu ständigen Diäten.
Die Mutter reagiert mal mit Empörung, mal mit Unterwerfung, aber sie erfüllt klaglos das Rollenbild eine Frau in den 80er Jahren. Sie bewältigt den Haushalt und ignoriert die Affären ihres Mannes und die Sticheleien der Schwiegermutter; sie bekommt noch ein Kind, kümmert sich um ihre demente Mutter, auch um Jessy, die Nichte der Nachbarin, und erkrankt schließlich schwer.
Ela liebt ihre Eltern, aber sie ist zu jung, um den Leidensdruck und auch die Stärke der Mutter zu erkennen, und beginnt, sich für deren Übergewicht zu schämen.
Daniela Dröscher vermischt in ihrem jüngsten Roman die eigene Kindheitsgeschichte mit fiktiven Elementen. In kleinen Exkursen reflektiert sie im Gespräch mit der Mutter die Ereignisse der Vergangenheit; so gewinnt sie Distanz zu den damaligen Konflikten und kann sie mit den aktuellen Debatten um Body-Shaming und Body-Positivity verknüpfen.
Im WDR 5-Ohrclip liest Sandra Voss Auszüge aus dem Roman.
Bearbeitung: Cornelia Müller
Redaktion: Stefanie Laaser
Hörbuchangaben:
Daniela Dröscher: Lügen über meine Mutter
Ungekürzte Lesung mit Sandra Voss
Argon Verlag, 2022
2 mp3 CDs, 11h 41min Laufzeit
Die Buchvorlage ist bei Kiepenheuer & Witsch erschienen