Laut aktuellen Umfragen könnte es dieses Mal knapp werden für Erdogan. Mehrheitlich sehen sie den Herausforderer Kemal Kilicdaroglu von der sozialdemokratischen CHP vorn. Aber Staatspräsident Erdogan ist bekannt dafür, dass er gerade in der Schlussphase des Wahlkampfs noch einmal alle Register zieht: So kündigte er kürzlich an, allen Türkinnen und Türken für mindestens einen Monat kostenlos Gas zum Heizen zur Verfügung zu stellen – weitere "Geschenke", so ist zu vermuten, werden bis zum Wahltag folgen.

Korrespondent und Autor Oliver Mayer-Rüth
Oliver Mayer-Rüth beobachtet seit 2016 als ARD-Korrespondent die Entwicklungen in der Türkei. Für ihn bedient Erdogan einerseits den Wunsch vieler Türkinnen und Türken nach einer "starken" Vater-Figur, die ihr Land auch gegen die herablassende Haltung vieler westlicher Länder nachdrücklich positioniert. Andererseits dürfe der Bogen aber nicht überspannt werden, denn die Menschen wollen keineswegs nur gehorsame Untertanen sein. Sie fordern vielmehr politische Teilhabe – was die hohe Wahlbeteiligung von bis zu 90 Prozent bei vergangenen Wahlen eindrücklich bewiesen hat.
Aber selbst für den Fall, dass Erdogan verlieren und Kilicdaroglu an die Macht kommen würde, bedeutet das für Oliver Mayer-Rüth keinen radikalen Politikwechsel: "Wir müssen uns von der Illusion freimachen, dass die Türkei eine Demokratie nach westlichen Vorstellungen werden könnte."
Buchtipp:
Oliver Mayer-Rüth (04.05.2023): Der Allmächtige? Die Türkei von Erdogans Gnaden. Bonn. Dietz Verlag. 200 Seiten. 19,90 Euro. ISBN: 978-3801206567.
Redaktion: Valentina Dobrosavljević