In Stralsund, wo zu DDR-Zeiten die großen Werften die Kähne für die sozialistischen Staaten bauten, herrscht bald nach der Wende eine Arbeitslosenquote von knapp 30 Prozent. In dieser Zeit der Umwälzung wächst Hendrik Bolz auf. Seine Jugend ist geprägt von großen Brüdern, die in Springerstiefeln und mit Nazi-Symbolen an ihren Bomberjacken herumlaufen und voller Stolz Glatze tragen. Er selbst zeigt früh eine große musikalische Begabung – und fühlt sich allein damit. Ein Sporttrainer kommentiert sein Zeugnis damals mit den Worten: "Das ist doch kein Jungen-Zeugnis". Er hat damals fast nur gute Noten.
Schließlich verschlägt es Hendrik Bolz nach Berlin. Dort trifft er den Rapper Grim104 und schreibt zusammen mit ihm erste Texte. 2013 erscheint die erste EP ("Töte Deine Helden"). Fortan bilden Grim104 und Hendrik, der sich nun Testo nennt, das Duo "Zugezogen Maskulin". Die beiden betreiben auch gemeinsam den Podcast "Zum Dorfkrug", in dem es um Themen, wie Heimat, Zusammenhalt, Rechtsruck, Landflucht oder Identität geht.
Die Flüchtlingskrise 2015 weckt bei Hendrik Bolz den Wunsch, über seine alte Heimat und die rechten Strukturen dort zu schreiben. Seine "westdeutsche Bubble" unterscheidet sich von den alten Freunden in den "neuen Ländern". Dieses Spannungsfeld verarbeitet Bolz in seinem biografischen Roman "Nullerjahre" und versucht zugleich, sein eigenes Leben zu erklären. Viele Rezensent:innen loben, dass bisher kaum jemand literarisch diese Zeit im Osten so drastisch schildert wie Hendrik Bolz.
Buchtipp:
Hendrik Bolz: Nullerjahre. Jugend in blühenden Landschaften. Kiepenheuer & Witsch. 2022. 20 Euro. 336 Seiten. ISBN 978-3462000948
Redaktion: Jonas Klüter