
Herzstürme und Tarantella-Zeitlupen
Stand: 02.03.2023, 16:51 Uhr
Der soulige Schotte Fraser Anderson sucht auf "All We Are" weiterhin nach Antworten auf große Fragen. Aber auch Emiliana Torrini & The Colorist Orchestra legen sich mit "Racing The Storm" in den auslotenden Wind sensibler Angelegenheiten.
Von Elise Schirrmacher

2009 eroberte Emiliana Torrini mit ihrem kecken "Hey" im Hit "Jungle Drum" die Herzen der Welt. Dank Heidi Klums "Germany´s Next Topmodels" stürmte sie hierzulande sogar Platz 1 der Charts. Danach wurde es für ein paar Jahre still um die italienischstämmige Isländerin, die einmal von sich gesagt hat, sie sei der langsamste Mensch auf der Welt. Nun scheint sie im belgischen "Colorist Orchestra" das perfekte Match gefunden zu haben. 2015 hatten Aarich Jespers und Kobe Proesmans, die Masterminds der achtköpfigen Akkustik-Formation, bei Emiliana Torrini angefragt, ob sie ein paar ihrer Songs musikalisch neu erfinden dürften. Daraus entstand 2018 das Album "The Colorist Orchestra: Emiliana Torrini" sowie die gegenseitige Einsicht, dass da noch mehr zu holen sei. Jetzt also liegen mit "Racing The Storm" elf neue, gemeinsame Songs vor, die auf Indie-kammermusikalische Art die Zeit anzuhalten scheinen. Die "Heys", "Hms" und "Ahas" sind immer noch Emiliana Torrinis Markenzeichen, aber sie wirken reifer als früher, in sich hineinhorchend und wie in Zeitlupe aufgenommen. Vielleicht vermissen Fans die ein oder andere Uptempo-Nummer, aber der Vorteil dieser behutsam geschichteten, von leidenschaftlichen Perkussionisten gesteuerten Klang-Ästhetik liegt in der Dichte und Tiefe, die die Songs erreichen. Man hört sich nicht so schnell daran satt und schmeckt Rhythmen heraus wie Gewürze – ein Hauch von Tarantella ("You Left Me In Bloom"), Sirtaki ("Mikos") oder Bossa Nova ("Racing The Storm"). Auf Textebene kam es auch zu neuen Kollaborationen, was der meist auf Beziehungen fokussierten Poesie sehr gut tut.

Auch der in Bristol lebende alleinerziehende Vater von drei Kindern, Fraser Anderson, verschreckt mit seinem fünften Album "All We Are" wahrscheinlich diejenigen, die sein drittes flottes, folk-bluesiges Album von 2014 vergöttern. Denn er verarbeitet inhaltlich und auch von der Langsamkeit der Songs her immer noch autobiografisch die Trennung, die ihn von Frankreich nach England verschlagen hat. Die andere Seite der Medaille leuchtet darum aber umso schöner: Ein geschmackvollerer Seelenstriptease mit augenzwinkernden Untertönen lässt sich kaum finden.
Gespielte Titel:
Emiliana Torrini & The Colorist Orchestra - Right Here
Emiliana Torrini & The Colorist Orchestra - Hilton
Emiliana Torrini & The Colorist Orchestra - Racing The Storm
Emiliana Torrini & The Colorist Orchestra - Mikos
Emiliana Torrini & The Colorist Orchestra - You Left Me In Bloom
Emiliana Torrini & The Colorist Orchestra - The Illusion Curse
Emiliana Torrini & The Colorist Orchestra - Wedding Song
Fraser Anderson - All We Are
Fraser Anderson - Rope
Fraser Anderson - What Kind Of Man
Fraser Anderson - One More Day Forever
Fraser Anderson - Cold Eyes
Fraser Anderson - Lost And Found Theatre
Konzerthinweis:
Emiliana Torrini & The Colorist Orchestra spielen am 16.03.23 um 20 Uhr in Dortmund im Konzerthaus