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sarah lesch

Wenn die Götter uns auslachen

Sarah Lesch nimmt kein Blatt vor den Mund, schon gar nicht auf ihrem aktuellen Album "Triggerwarnung", das von Liedern wimmelt, die politischer und zugleich persönlicher nicht sein könnten.

Von Elise Schirrmacher

Wenn die Götter uns auslachen - Sarah Lesch

WDR 5 Liederlounge 21.05.2023 57:47 Min. Verfügbar bis 18.05.2024 WDR 5


Deshalb heißt es auch "Triggerwarnung", und tatsächlich – so Sarah Lesch – brechen auf ihren Konzerten immer wieder Menschen zusammen. Den Me-Too-Song "Schweigende Schwestern" singt sie nur noch selten live, zu hart der Tobak, auch für sie selbst. Denn sie berichtet dort im Spokenword-Flow auf bluesigem Musikbett nicht nur von ihrer eigenen Vergewaltigung durch einen Barkeeper, als sie 15 war, sondern weitet den Blick im Chor mit den "schweigenden Schwestern" bis durchs "Schlüsselloch der Kirchentür" und Küchentür. Das kulminiert in den Zeilen "Zwischen uns passt kein Blatt Papier mehr / Weil sich dieses Blatt jetzt wendet / Wenn wir uns gegenseitig glauben / Damit das hier für immer endet" - Empowerment zu einer gewaltigen Kraft.

sarah lesch

Diese kämpferische Zuversicht ist das Markenzeichen von Sarah Lesch, auch in der feministischen Ansage auf Reggaebeat in "Drunter machen wir´s nicht". Man könnte sich fragen, warum Sarah Lesch so klar, so schön, manchmal gar fast lieblich singt und großen Wert auf geschmackvolles Arrangement legt, anstatt zu schreien und zum Punk zu greifen. Aber vielleicht hört man genau deswegen so genau hin, hier schwingt auch ein inneres Kind mit, die "kleine Sarah mit der Ukulele" – mit WDR5 geteiltes Insiderwissen aus der Traumatherapie.

Gegen die Angst anzusingen zieht sich als Leitmotiv auch durch die vier vorigen Alben dieser in Heilbronn aufgewachsenen und in Leipzig lebenden Singer-Songwriterin: "Der rosa Elefant" mit der Zeile "Reden ist Silber und Schweigen ist feige" nimmt ein prototypisches Familienessen ins Visier, das Tabu sitzt mit am Tisch. Und in "Da draußen" – ein fröhlicher Song, den sie 2017 bei Inas Nacht performte – singt sie "Ich weiß nur, dass man die Angst vergisst / Die Angst vergisst, wenn man singt".

Die poetischste Ossi-Zeile überhaupt aber sitzt im Song "Testament", der wegen seiner Systemkritik am kapitalistischen Erziehungs- und Bildungssystem (Lesch ist gelernte Erzieherin) von rechts vereinnahmt wurde, wogegen sie sich mit Händen und Füßen wehrte: "Die Götter pullern sich ein vor Lachen / Und ihr denkt, dass ihr was wisst". Danke für dieses Bild.

Gespielte Titel:

Sarah Lesch: Drunter machen wir´s nicht
Sarah Lesch: Löwenzahn im Wind
Sarah Lesch: Schweigende Schwestern
Sarah Lesch: Die Geschichte von Marsha P. Johnson
Sarah Lesch: Der rosa Elefant
Sarah Lesch: Da draußen
Sarah Lesch: Adieu
Sarah Lesch: Komm Steine werfen
Sarah Lesch: Testament
Sarah Lesch: Unten am Fluss
Sarah Lesch: Intro
Sarah Lesch: Outro
Sarah Lesch: Aus dem Staub