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Das Bild zeigt die Silhouetten mehrerer Menschen, die im Gegenlicht eines Gebäudegangs passieren, im Hintergrund eine Rolltreppe.

Ohne Label – Teilhabe ohne Wenn und Aber

Stand: 13.05.2022, 14:30 Uhr

Menschen mit Fluchterfahrung werden oft auf diese reduziert. Ihre Individualität und Würde wird durch das Label des Flüchtlings verkannt. Wie könnte dagegen das Zusammenleben ohne diese gesellschaftliche Etikettierung aussehen?

Deutschland im Jahre 1945. Der Strom aus dem Osten reißt nicht ab. Elisa Schülke, damals 18 Jahre alt, gehört zu den Millionen, die vor den sowjetischen Soldaten fliehen. Ihr hättet mal hören sollen, sagt sie, wie die Hiesigen das Wort "Flüchtlinge" betont haben! Als würden Sie "Ungeziefer" sagen.
Elisa Schülke hat ähnliche Erfahrungen gemacht wie jeder und jede Einzelne, die als Gruppe den "Flüchtlingsstrom" des Jahres 2015 gebildet haben. Sie trug ein Etikett – neudeutsch: ein Label. So wie Razwan aus dem Irak oder Natascha aus der Ukraine. Flüchtlinge werden immer dann zur vermeintlichen Gefahr oder zur Bedrohung, wenn andere Menschen ihnen eben ein solches Label aufkleben.

Ein Flüchtling wird darauf reduziert, geflüchtet zu sein. Ähnliches gilt für andere Label: Die "türkische Migrantin" ist nicht nur heimatlos, sondern wird ausschließlich mit ihrer Herkunft in Verbindung gebracht. Ohne Etikett, ohne Label wäre sie vielleicht die Frau, die einen Beruf erlernt, Kinder zur Welt gebracht und sich entschlossen hat, die Türkei zu verlassen. Ohne Label hätte sie Wirkungskraft und Würde.
Das Lebenzeichen lotet aus, wie unsere Gesellschaft sein könnte, wenn sie aufhören würde, Etiketten aufzukleben.

Autor:innen: Tra Mi Hoang und Wolfgang Meyer

Redaktion: Christina-Maria Purkert

Das Lebenszeichen läuft immer sonn- und feiertags um 08.30 Uhr auf WDR 3 und sonntags um 08.04 Uhr auf WDR 5.