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Westblick - Das Landesmagazin mit Edda Dammmüller
Die katholische Theologin und Fantasy-Forscherin Theresia Heimerl

Viel mehr als Weltflucht – Warum sind Fantasy Welten so anziehend?

Stand: 01.11.2022, 12:04 Uhr

Fantasy reicht an tiefe Schichten mythischer Überlieferungen heran. Sie zu erkunden, kann trösten. Und letztlich lassen sich auch die Gedankenwelten christlicher Mystiker als fantastische Heldenreisen lesen, sagt die Theologin Theresia Heimerl.

Fantasy ist mehr als Zauberer und Elfen und nicht nur Weltflucht. Davon ist die katholische Theologin und Religionswissenschaftlerin Theresia Heimerl überzeugt, und deswegen forscht sie genauso zu Vampiren und Nonnen im Fernsehen wie zu Meister Eckhart. Und an Allerheiligen geht sie natürlich auf den Friedhof.

Man könne, sagt Heimerl, den Erfolg von Halloween – als Abend vor Allerheiligen – verstehen als Rache der Volksreligion an Martin Luther. Im Erfolg dieses Festes zeige sich die Sehnsucht nach Ritualen genauso wie die Sehnsucht nach anderen Welten.

Fantastische Geschichten und Figuren wie zum Beispiel Vampire tauchen tief ein in unbewusste Sehnsüchte nach Werten und großen Gefühlen. Theresia Heimerl betont auch die Unterschiede: „Das Wort ward Fleisch“ aus dem Anfang des Johannes-Evangeliums – das mag klingen wie der Anfang eines Zombie-Films, aber im Glauben ist dieses Fleisch eben lebendig und Stimme Gottes, nicht eine seelenlose Macht, die alles verschlingt.

Die Theologin wirbt trotzdem dafür, das Potenzial von Fantasy auch fürs theologische Nachdenken besser zu nutzen und zu erforschen. Denn die Deutungshoheit übers Jenseits haben die Kirchen längst verloren. Und andersherum gibt es theologische Texte und Traditionen wiederzuentdecken, die mit Fantasy viel mehr gemeinsam haben, als man gemeinhin denkt.

Keine Angst vor bunten Narrativen, großen Emotionen und auch den Mut, beim Griff in die Schatzkiste des Erzählens mal etwas nahe am Kitsch zu sein – das kann die Theologie für Theresia Heimerl von der Fantasy lernen.

Zur Person:

Theresia Heimerl wurde 1971 in Linz geboren. Nach einem Studium der deutschen und klassischen Philologie (Latein) sowie der katholischen Theologie in Graz und Würzburg habilitierte sie 2003 im Fach Religionswissenschaft. An der Universität Graz forscht sie zu europäischer Religionsgeschichte, zum Themenkomplex Körper-Geschlecht-Religion sowie zu Religion in Film und Literatur, unter anderem mit Arbeiten zu Vampiren als Spiegel religiöser Diskurse.

Moderation: Kirsten Dietrich

Redaktion: Christina-Maria Purkert

Theresia Heimerl: Warum sind Fantasy Welten so anziehend?

WDR Religion 01.11.2022 54:10 Min. Verfügbar bis 01.11.2023 WDR 5


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