
Claudia Janssen: Feministisch-theologisch ohne Antijudaismus
Stand: 07.04.2023, 12:05 Uhr
Zu lange wurde der Kreuzestod Jesu von den Kirchen antijüdisch gedeutet. Claudia Janssen von der Kirchlichen Hochschule Wuppertal will das Neue Testament anders lehren: mit Respekt vor den jüdischen Wurzeln – und feministisch.
An Karfreitag ist man im Herzen dessen, was Christentum ausmacht: der Tod des Jesus aus Nazareth am Kreuz – woraus mit der Auferstehung dann Erlösung für alle wurde, die daran glauben. Diese Überzeugung ist genuin christlich. Alle Handelnden aber waren jüdisch: der Mann am Kreuz genauso wie die Menschen drumherum. Trotzdem wird die Geschichte seit den ersten Jahrhunderten der Kirche als eine erzählt, in der Juden nur eine Rolle bleibt, nämlich die der Schurken.
Claudia Janssen möchte diese Erzählung verändern. Nicht nur, dass sie Leid über Juden und Jüdinnen gebracht hat und im Kern von Antijudaismus und Antisemitismus steckt. Sie deckt sich auch nicht mit dem, was in der Bibel steht. Janssen beschäftigt sich vor allem mit den Briefen des Paulus, der ältesten Überlieferung des Neuen Testaments. Ausgerechnet Paulus, möchte man sagen – aber Claudia Janssen kann zeigen: Paulus war nicht der frauenverachtende Erzdogmatiker. Dazu haben ihn erst spätere Zeiten gemacht.
Diese Fragen sind höchst aktuell, sagt Janssen. Sie lehrt an der Kirchlichen Hochschule in Wuppertal. Dort wird die wissenschaftliche Ausbildung der Studierenden eng mit der künftigen Arbeit in der Kirche verbunden. Denn in schrumpfenden Kirchen sind überzeugende Pfarrpersonen umso wichtiger: solche, die einen genauen Blick auf die sozialen Herausforderungen und Chancen haben. Deswegen ist Claudia Janssen auch Mitherausgeberin der "Bibel in gerechter Sprache": diese Neuübersetzung macht Gerechtigkeit zum Leitthema.
Zur Person:
Claudia Janssen wurde 1966 in Rotenburg an der Wümme geboren. Sie studierte evangelische Theologie und forscht seitdem zu feministischer und sozialgeschichtlicher Theologie. In ihrer Promotion beschäftigte sie sich mit den neutestamentlichen Figuren Hanna und Elisabeth, "zwei widerständige alte Frauen". In ihrer Habilitation warf sie einen neuen Blick darauf, wie Paulus über Körper redet. Neben der Forschung arbeitete Janssen lange in der evangelischen Frauenarbeit, zuletzt von 2013 - 2016 als Studienleiterin im Studienzentrum der EKD für Genderfragen. Seit 2016 ist Claudia Janssen Professorin für Neues Testament und Theologische Geschlechterforschung an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal/Bethel. Janssen ist Pastorin der Evangelischen Kirche im Rheinland und Mitherausgeberin der "Bibel in gerechter Sprache".
Literatur:
Claudia Janssen: Endlich lebendig – Die Kraft der Auferstehung erfahren, Kreuz Verlag 2013 (nur antiquarisch)
Bibel in gerechter Sprache, Gütersloher Verlagshaus 2011, 1856 S., 22 Euro
Claudia Janssen / Luise Schottroff / Beate Wehn (Hgg.): Paulus – umstrittene Traditionen, lebendige Theologie. Eine feministische Lektüre, Gütersloher Verlagshaus 2001 (nur antiquarisch)
Moderation: Kirsten Dietrich
Redaktion: Christina-Maria Purkert