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Buchcover: "Miami Punk" von Juan S. Guse

"Miami Punk" von Juan S. Guse

Stand: 26.08.2022, 09:20 Uhr

Auf 630 Seiten malt Juan S. Guse das apokalyptische Panorama eines Miami, das im Chaos versinkt. Einige Jahre zuvor hat sich der Atlantik Hunderte Meilen von der Küstenlinie zurückgezogen. Private Security und Bürgerwehren haben in der stadt freie Hand, über die Straßen wäzlen sich Alligatoren.

Mittendrin driftet die junge Programmiererin Robin durch ihre Tage in der IT-Abteilung eines Biotech-Konzerns. Mit ihrer Partnerin Daria sieht sie von der Couch aus dem Verfall ihrer Heimatstadt zu. Gegen ihre existenzielle Langeweile schreibt sie experimentelle Computerspiele. Eins davon trägt den Titel "Das Elend der Welt" und lässt tief in ihre Seele blicken: Ein Spiel, das interessanter ist als die wirkliche Welt, und das nie enden soll. Robins unrealisierbarer Plan ist, dass dieses Spiel sich von selbst immer weiterschreibt, und zwar personalisiert, unter Rückgriff auf die Daten auf der Festplatte des Spielenden.

Derweil besucht das Ich, ein namenloser Doktor der Literaturwissenschaft aus Deutschland, früher Profi-Gamer, mit alten Freunden ein Ballerspiel-Turnier in der Stadt. Über den dortigen Männergesprächen über Spieltaktik und –technik lastet eine große Wehmut: Es ist das letzte Turnier in diesem Spiel. Und der früherer E-Sportler spürt, dass da was zu Ende geht, auch zwischen ihm und seinen Mitspielern. Es geht in dieser spätkapitalistischen Endzeitvision vor allem um die Atmosphäre. Und um die Sehnsüchte der Figuren, die sie in Computerspielen reinszenieren.

Juan S. Guse erzählt das im abgeklärten Ton, der typisch ist für Cyberpunk-Endzeitgeschichten. Außerdem mit vielen Verweisen auf Spiele und Literatur. Das ist durchaus nerdig-voraussetzungsvoll. Man kann dem Roman aber auch ohne das gut folgen – und lustvoll abtauchen in diese Welt, in der alles mit allem irgendwie verbunden ist.

Literaturangaben:
Juan S. Guse: Miami Punk
S. Fischer, 640 Seiten, 26 Euro