Ein Engländer bringt den Fußball. 1894 kommt Charles Miller nach Brasilien, zwei Lederbälle im Reisegepäck. Fußball wird rasch zum Lieblingssport der weißen Elite im Lande. Erst mehr als 20 Jahre später dürfen afrobrasilianische Männer in den Vereinsmannschaften mitspielen. Einer der ersten und mit Abstand besten ist Arthur Friedenreich, Sohn eines deutschen Emigranten und einer Brasilianerin afrikanischer Herkunft, ein Stürmer, der mit dem Ball am Fuß pfeilschnell Haken schlägt, um zum Tor vorzudringen. Und um seine Haut zu retten. Farbige Spieler wurden seinerzeit von den Schiedsrichtern kaum geschützt, unfaire Attacken mussten sie vermeiden, per Dribbling.
Dass der Fußball als Massensport immer auch die jeweiligen gesellschaftlichen Verhältnisse spiegelt, ist eine altbekannte These, die auch Guez vertritt und entfaltet. Der Rassimus in Brasilien ist für ihn die Quelle des virtuosen Spiels brasilianischer Ballkünstler. Verzückt zeichnet er die schnellen Körperdrehungen eines Garrincha, er feiert Pelé als Phänomen, bei dem Ball und Fuß eine Einheit sind, und beleuchtet schlaglichtartig auch die Geschichte des argentinischen Fußballs mit Maradona und Messi als den vergötterten Helden und einer Reihe von Landesherrschern, die den Fußball politisch instrumentalisierten.
"Lob des Dribbelns" ist beides: rauschende Liebeserklärung an den südamerikanischen Fußball und einleuchtende Darstellung seiner soziokulturellen Wurzeln. Begeisterung mit Tiefgang. Ein dynamisches, lehrreiches Buch.
Eine Rezension von Ferdinand Quante
Literaturangaben:
Olivier Guez: Lob des Dribbelns. Über den Mythos des südamerikanischen Fußballs
Aus dem Französischen von Nicola Denis
Aufbau Verlag, 175 Seiten, 18 Euro