Buchcover: "Die Goldküste. Eine Irrfahrt" von Isabel Fargo Cole

Lesefrüchte

"Die Goldküste. Eine Irrfahrt" von Isabel Fargo Cole

Stand: 02.12.2022, 13:48 Uhr

"Was bringt jemanden dazu, alles stehen und liegen zu lassen, um sein Glück in der Ferne zu suchen?" Diese Frage treibt die Schriftstellerin Isabel Fargo Cole um. Und das nicht von ungefähr. Ihr Ururgroßvater war ein Abenteurer, um den sich viele Familienlegenden ranken.

Gesichert ist: 1900 verlässt Arva Alphonso Fargo plötzlich die Familie und das Weingut in Kalifornien, um sich dem Treck derer anzuschließen, die in Alaska Gold finden wollen. Er scheint Glück gehabt zu haben. Aber ist dem Bericht eines Freundes wirklich zu trauen? Was ist Phantasterei und was ist Wirklichkeit? Das ist der Punkt an dem Isabel Fargo Cole mit ihren Nachforschungen ansetzt.

Sie stöbert in Archiven, recherchiert im Internet und bricht selbst zu einer Reise auf, die sie quer durch Alaska führt. Coles erstaunliches Buch ist vieles in einem: Reisebericht, Familienbiografie, Geschichtsessay und grandiose Naturbetrachtung, die die Bedrohung des eisigen Territoriums durch die Erderwärmung nicht ausspart. Isabel Fargo Cole stößt auch bei ihren Recherchen auf Fake und Täuschung. Einmal lässt sie sich beinah von einem zwielichtigen Forum übertölpeln.

Wie nebenbei stellt die Autorin Verbindungen her zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen den Erfindungen der Goldsucher und Gipfelstürmer und abstrusen Behauptungen, die heute verbreitet werden. Alaska – das ist für Cole ein Territorium, das "nach Westen in den Osten" strebt. Grenzland mithin, Berührungspunkt von amerikanischer und russischer Geschichte. Cole kommt immer wieder auf Russland zu sprechen.

Angesichts des Krieges in der Ukraine erzählt sie auch von ihrer Verzweiflung, die sie mit Mühe weggepackt habe in eine Kiste, die sie nicht mehr gern öffne. In Isabel Fargo Coles Buch wird gar nichts weggeschlossen.

Im Gegenteil: Es ist frappierend, was alles Platz findet. Wie Cole mit Leichtigkeit und Eleganz von einem zu anderen gelangt, Persönliches und Politisches verknüpft, von Ökonomie und Ökologie erzählt, das ist bezwingend und aufschlussreich.

Eine Rezension von Holger Heimann

Literaturangaben:
Isabel Fargo Cole: Die Goldküste. Eine Irrfahrt
Verlag Matthes & Seitz Berlin, 2022
368 Seiten, 34 Euro