Nach dem 11. September 2001 spürt der pakistanische Schriftsteller Mohsin Hamid, dass er am Flughafen und in der Bahn plötzlich anders angesehen wird. Sein Pass wird kritisch beäugt, Fahrgäste wechseln seinetwegen den Platz, als er einsteigt. "Ich hatte mein Weißsein verloren", reflektiert er das 20 Jahre später in einem Brief an seine Leserinnen und Leser.
Der Figur in seinem neuen Roman "Der letzte weiße Mann" lässt der Autor Ähnliches widerfahren, nur in viel deutlicherer Form: Der hellhäutige Fitnesstrainer Anders wacht eines Morgens auf und ist schwarz.
In einer Art Epidemie ähnlich wie in José Saramagos "Stadt der Blinden" passiert seinen Mitmenschen nach und nach das Gleiche: Bald sind alle dunkelhäutig, Anders’ Bettgefährtin Oona, sein Chef im Fitnessstudio, nur Anders’ Vater nicht. Die Stimmung in der Stadt verändert sich, Paranoia macht sich breit, Bürgerwehren patrouillieren, Menschen verschwinden.
Mohsin Hamid beschreibt das mit feinem Gespür für atmosphärische Veränderungen und für den tiefsitzenden Rassimus, den die Verwandelten nun gegen sich selbst richten. Auf gerade einmal 150 Seiten entfaltet Hamid ein wirkungsvolles und lesenswertes Gedankenexperiment.
Eine Rezension von Fabian May
Literaturangaben:
Mohsin Hamid: Der letzte weiße Mann
DuMont Buchverlag, 2022
160 Seiten, 22 Euro