Buchcover: "Mary & Claire" von Markus Orths

Buch der Woche

"Mary & Claire" von Markus Orths

Stand: 17.02.2023, 16:26 Uhr

In "Mary & Claire" erzählt Markus Orths von "sex, drugs and romanticism" oder, wie Mary Shelley die Idee zu ihrem Roman "Frankenstein" kam: die Begegnung der Stiefschwestern Mary und Claire mit dem Lyriker Percy Shelley. Für die romantische Literatur war es wohl die folgenreichste Liebe zu dritt.

Als Claire gerade sechzehn ist, lernt sie im Buchladen ihrer Mutter einen jungen Adeligen kennen – den Dichter Percy Shelley. Ihre ältere Stiefschwester Mary kehrt aus Schottland zurück, wo sie eine Zeit als Erzieherin gearbeitet hat. Auch sie verliebt sich in Percy. Da Percy bereits verheiratet und Vater ist, ist man in Marys Elternhaus nicht mit der Verbindung einverstanden.

Percy und Mary reißen aus und nehmen Claire mit auf eine Reise auf den Kontinent. Schließlich erklärt Claire einem weiteren berühmten Dichter ihre Liebe, George Gordon Noel, bekannt als Lord Byron. Claire stellt Lord Byron Percy und Mary vor. Die komplexe Liebesgeschichte endet damit, dass sowohl Lord Byron als auch Percy Shelley sterben.

Claire reist als englische Gouvernante durch Europa. Mary wird zur produktiven und erfolgreichen Schriftstellerin. Ihr Roman "Frankenstein; or, The Modern Prometheus" erscheint 1818 zuerst anonym. Als der Erfolg so groß ist, dass eine zweite Auflage gedruckt werden muss und öffentlich wird, da eine Frau den Roman verfaßt hat, wird das Buch zuerst schlechtgeredet, dann aber bei einem jüngeren Publikum zu so etwas wie einem frühen "Kultbuch".

Ein kritischer Vorzug von "Mary & Claire" besteht darin, deutlich zu machen, welche gesellschaftlichen Hindernisse, Vorurteile und rechtliche Nachteile Frauen zur Zeit der Romantik den Weg zum künstlerischen Erfolg erschwerten. Markus Orths zeigt gleichzeitig sehr gut, wie Frauen der englischen Romantik neue Formen der Liebe und der Lebensverwirklichung zu riskieren verstanden.

Sie nahmen vorweg, was Künstlerinnen, Aussteiger und Avantgardisten dann im 20. Jahrhundert ausprobierten – sozusagen "sex, drugs and romanticism" (statt "Rock’n roll"). Orths beschreibt das in kühnen Bildern und ungewöhnlichen Satzkonstruktionen - "romantisch" eben, inspiriert davon, wie junge Autorinnen und Autoren jener Zeit sich ausdrückten, die auch sprachlich Neuland erkunden wollten.

Eine Rezension von David Eisermann

Literaturangaben:
Markus Orths: Mary & Claire
Carl Hanser Verlag, 2023
298 Seiten, 26 Euro

Programmhinweis:
In der WDR 5 Podcast-Reihe "Lies mir was vor" liegt auch Mary Shelleys "Frankenstein" vor, komplett gelesen von Regina Münch und besprochen von Mithu Sanyal und Rebecca Link.