Buch der Woche

"Ich komme nicht zurück" von Rasha Khayat

Stand: 20.09.2024, 13:25 Uhr

Neu aus dem Ruhrgebiet: Acht Jahre nach ihrem Debüt “Weil wir längst woanders sind“ ist Rasha Khayats zweiter Roman "Ich komme nicht zurück" erschienen. Ein hoch verdichteter, kunstvoll gearbeiteter, gleichwohl quicklebendiger Roman über Freundschaft in schwierigen Zeiten.

Was macht Freundschaft aus? Wie entwickelt sie sich über die Jahre? Kann sie bewahrt – oder nach einer Krise wieder gefunden werden? Und welche Rolle spielen die gesellschaftlichen Umstände? Das sind die Fragen, um die Rasha Khayats Roman "Ich komme nicht zurück" kreist. Eine Hommage an die Freundschaft, zugleich ein Blick auf die Fragilität der Bande, die Freundschaft ausmachen, abhängig immer auch von den gesellschaftlichen Umständen.

Der Roman erzählt davon auf zwei zeitlichen Ebenen: Hanna, Cem und Zeyna waren beste Freunde in ihrer Kindheit und Jugend in einer Stadt im Ruhrgebiet, vermutlich in Essen. Heute, in der Gegenwart der Coronazeit, ist das etwas anders: Hanna und Cem haben noch miteinander zu tun, aber verhaltener, Cems Lebensgefährtin, mit der es nicht so passt, funkt dazwischen. Zu Zeyna, der Dritten im Bund, ist das Band mehr oder minder gerissen.

Hanna wagt nun in ihrer Corona-Einsamkeit einen neuen Kontaktversuch; Zeyna, die als Fotografin international unterwegs ist, bleibt in jeder Hinsicht fern. Irgendetwas ist passiert, an der Schwelle zum Erwachsenwerden – was da gewesen sein könnte, ist das Geheimnis, das das Geschehen treibt.

Cem ist türkischstämmig, seine Eltern besitzen einen Lebensmittelladen. Zeyna hat ihre Mutter durch einen Bombenangriff verloren, deshalb ist der Vater mit ihr nach Deutschland geflohen. Auch Hannas Mutter ist tot, bei einem Autounfall gestorben, das verbindet die beiden. Beziehungsweise: Das verband sie. Ihre Freundschaft war eine Ersatzfamilie, zumindest eine Jugend lang. Und heute? Lässt sich alte Freundschaft kitten?

Der "junge" Teil der Geschichte erzählt vom Ruhrgebiet in den endenden Achtzigerjahren bis in die 2000er-Jahre hinein aus einer migrantischen Perspektive und mit Blick auch auf prägende gesellschaftliche Ereignisse, die Brandanschläge von Mölln etwa und die Debatten, die dem den Boden bereiteten. Eine überraschende Koinzidenz zur Gegenwart mit ihren destruktiven Migrationsdebatten.

Was macht so etwas mit Freundschaften und Beziehungen? Mit dem Vertrauen? Wie sehr und wie schnell Freundschaft auf dem Spiel stehen kann, auch davon erzählt Rasha Khayat in ihrem “Zweitling“. Klein, aber ganz schön fein – dieser Roman konzentriert Essenz auf schmalstem Raum, und zwar mit Herz und Verstand.

Eine Rezension von Urlich Noller

Literaturangaben:
Rasha Khayat: Ich komme nicht zurück
DuMont Buchverlag, 2024
176 Seiten, 24 Euro