Live hören
WDR 5 Hotline: 0221-56789 555
Buchcover: "Einhundert Samstage" von Michael Frank

Buch der Woche

"Einhundert Samstage" von Michael Frank

Stand: 26.05.2023, 15:59 Uhr

Sechs Jahre lang hat der amerikanische Journalist Michael Frank die Jüdin Stella Levi jeden Samstag in ihrer New Yorker Wohnung besucht. Sie hat ihm, sehr zögerlich, ihre Lebensgeschichte erzählt. Immer darum bemüht, es nicht zu einer Leidensgeschichte werden zu lassen.

Stella Levi war 15, als sie im Sommer 1944 mit ihren Eltern, Geschwistern, mit Tante und Onkel von der Insel Rhodos nach Ausschwitz deportiert wird. Bis dahin verlebt Stella in ihrer großen Familie eine fröhliche Kindheit "zwischen Tradition und Moderne, inmitten einer Vielfalt von Sprachen und Kulturen".

Mit vierzehn schon hatte sie einen Koffer gepackt. Sie würde irgendwann nach Italien auf eine Universität gehen, der Entschluss stand fest. Der Koffer bleibt zurück, auf Rhodos wird es nach dem Juli 44 nie mehr eine jüdische Gemeinde geben.

Stella Levi erzählt all das sehr zurückhaltend, der Autor Michael Frank muss erst ihr Vertrauen gewinnen. Es dauert lange, bis sie ihm vom Konzentrationslager Ausschwitz erzählt, wo ihre Eltern, die Tante und der Onkel umgebracht wurden.

Mit seinem Buch hat der Autor Michael Frank der Jüdin Stella Levi, die jetzt einhundert Jahre alt ist, noch zu Lebzeiten ein Denkmal zu setzen. Das Wall Street Journal hat es nach Erscheinen zu den zehn schönsten Büchern des Jahres gewählt.

Eine Rezension von Christine Westermann

Literaturangaben:
Michael Frank: Einhundert Samstage
Aus dem Englischen von Brigitte Jakobeit
Rowohlt Berlin, 2023
336 Seiten, 24,70 Euro