Ein Mann hat seiner Frau eine helle Wohnung in einem Hochhaus weit oben über der Stadt eingerichtet, damit sie sich nicht mehr "um die ganze Welt kümmern" muss, sondern endlich zum Schreiben kommt. Sie haben abgemacht, dass er sofort geht, wenn er sie dort abgeliefert hat.
Was genau dieser räumlichen Trennung des (Ex-)Paares vorausgegangen ist, lässt sich Stück für Stück aus den Reflektionen und Rückblicken der Erzählerin konstruieren. Allerdings sind wir dabei auf die Ich-Erzählerin angewiesen, und die zeigt sich widerstrebende Gefühlsregungen.
Die Ich-Erzählerin spricht von "Meinmann", als sei sie morphologisch mit ihm verbunden, dabei hat sie immer die "Spur des Ekels in seinem Blick" gefürchtet. Er mochte es, dass sie Ahnung von Theater und Film hatte, dominierte sie aber sofort lautstark, wenn sie wagte, sich zu äußern. Der Mann scheint ein eher unträgliches Exemplar seiner Gattung zu sein, warum aber wartet sie oft darauf, dass er sie besucht und für sie kocht?
In einer leicht rhythmisierten Sprache, mit locken Versen und Zeilenumbrüchen, teils ohne Satzzeichen, gibt die Ich-Erzählerin das Lebensgefühl einer Frau preis, die sich immer als defizitär empfunden hat. Dabei bleibt vieles rätselhaft. Sie steht vor dem Glasfenster der Wohnung, wünscht sich, das Glas durchstoßen zu können. Eine Metapher für ihr inneres Gefängnis, oder ist sie tatsächlich eine Gefangene? Vielleicht gibt die "Geschichte in der Geschichte" Aufschluss.
Es ist die Prosa, die sie in der Wohnung geschrieben hat. Die Geschichte, die sie auch ihren Mann lesen lässt, handelt von der kleinen, schmutzigen Frau mit den fettigen Haaren und ihrer Odyssee. Der Schmutz kann hier für vieles stehen, auch für alle Selbst- und Fremdzuschreibungen, die ein Frauenleben so übel prägen können. Vielleicht steht Schmutz aber auch für Widerstand und Differenz, die Autonomie und Freiheit ermöglicht.
Sicher ist, dass die Erzählerin sehr viel versierter ist, als sie zu sein scheint und alles unter Kontrolle hat. So wie Annette Pehnt, die hier gekonnt mit Bildern, Stimmungen, Textsorten, Leerstellen und den Erwartungen der Leserinnen und Leser spielt, und dabei die verrätselte Geschichte einer Selbstermächtigung erzählt.
Eine Rezension von Mareike Ilsemann
Literaturangaben:
Annette Pehnt: Die schmutzige Frau
Piper Verlag, 2023
176 Seiten, 22 Euro