Die eigene Großmutter im Gespräch zu ergründen, kann sich als schwierig erweisen. Die Romanfigur Kim de l’Horizon nähert sich darum schreibend der Schweizer "Grossmeer" mit der herrischen Art. Der Schreibakt ist die Handlung des Buchs.
Wir sitzen sozusagen mit Kim am Schreibtisch. Über einen Sommer und Herbst schichtet Kim Lebensläufe übereinander, von Vorfahrinnen aus sieben Jahrhunderten. Schiebt Konfrontationen mit der Großmeer auf, erfindet andere, stromert promisk durchs Dasein als nonbinärer Mensch um die 30.
Immer wieder rankt sich der Text um eine gewisse Blutbuche. Die ist sozusagen der Familien-Stamm-Baum im Garten des Elternhauses. Mit ihr fühlt sich Kim magisch verbunden. Und unter ihr sind vielleicht schlimme Dinge passiert.
Kim de l’Horizon hat lange an diesem Debüt geschrieben – und am Ende zu einer "flüssigen Schreibweise" gefunden anstatt zu einfachen Auflösungen biografischer Fragen.
Es ist eine angemessene Sprache zur Beschreibung der eigenen Existenz, ihrer Gewachsenheiten und Widersprüche und der anderen Dinge und Wesen, mit denen sie untrennbar verstrickt scheint, seien es nun Bäume, Meere oder Großmütter.
Eine Rezension von Fabian May
Literaturangaben:
Kim de l’Horizon: Blutbuch
DuMont Buchverlag, 2022
336 Seiten, 24 Euro