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Katharina Mevissen über "Mutters Stimmbruch"

Autorin im Gespräch

Katharina Mevissen über "Mutters Stimmbruch"

Stand: 05.05.2023, 10:35 Uhr

In fünf Jahreszeiten durchlebt eine Mutter verlustreiche Verwandlungen am Körper. Eine poetische Groteske über die wilde Natur des Alterns.

Herbst, die Saison des Alterns beginnt: Im Garten sind die Äpfel reif, Mutter verliert die Zähne, und ihr bricht die Stimme. Die Kinder sind längst aus dem Haus. Mutters Körper wird nicht mehr gebraucht, aber er ist immer noch da mit seinen diversen Zeitzonen. Auch die Sprachen kommen ihr abhanden.

Zu allem Überfluss wollen die Handwerker im Heizungskeller das Wasser abdrehen, doch am Herzen des Hauses duldet Mutter keinen Eingriff. Bis die Weide das Haus unterwandert und alles flutet. Was mit der Flucht aus dem winterkalten Haus beginnt, wird zum Aufbruch in ein anderes selbstbestimmtes Leben mit Aussicht auf Heilung: Lauthals singt sie mit ihrer tiefen Stimme und den dritten Zähnen, wählt fremde Nummern aus Telefonzellen oder lässt ihre Brüste im Schwimmbad frei.

Körperliche Schwächen gleicht die Mutter beherzt durch Widerstand, Eigensinn und unerschrockene Aktionen aus. In ihrem eigenen Rhythmus singt sie die Einsamkeit weg und richtet die Wurzeln zum Wasser hin aus. Das neue Leben wirkt subversiv und tröstlich.

Hautnah und dicht an der Mutter erzählt Katharina Mevissen in einer Art animistischer Körper-Sprache, die sich mit der Figur und der Natur suggestiv zu kräftigen Bildern verbindet. Immer wieder tauchen im Text Illustrationen von Katharina Greeven auf, sie zeigen überwiegend Zähne, ein Gebiss im Wasserglas oder einen losen Telefonhörer.

Skurrile Episoden und scheinbar unvermittelte Aktionen stehen mit den fließenden Hauptmotiven im Einklang: dem alternden Körper, der Stimme und den Sprachen, stets angetrieben von der Sehnsucht nach Wasser, nach dem Meer und den Pflanzen. Der klangvolle Text lädt zum laut lesen ein.

Erfrischt und gestärkt von Katharina Mevissens poetischen Einfällen würde ich mir viele der ungewöhnlichen Sätze am liebsten an die Wand hängen. "Mutters Stimmbruch" - ein Erlebnis.

Eine Rezension von Bettina Hesse

Katharina Mevissen über "Mutters Stimmbruch"

WDR 5 Bücher - Autoren im Gespräch 06.05.2023 11:40 Min. Verfügbar bis 04.05.2024 WDR 5


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Literaturangaben:
Katharina Mevissen: Mutters Stimmbruch
Mit 7 Monotypien von Katharina Greeven
Verlag Klaus Wagenbach, 2023
128 Seiten, 22 Euro

Lesung mit Katharina Mevissen:
30. Mai 2023, 17.30 Uhr bis 19.00 Uhr
TH Köln, Fakultät für Angewandte Sozialwissenschaften
Campus Südstadt, Ubierring 48, 50678 Köln
Veranstaltungsreihe: Forum Inklusive Bildung: Stimmen

Infos:
https://www.th-koeln.de/hochschule/lesung-mit-katharina-mevissen-aus-ihrem-buch-mutters-stimbruch_102332.php