Sie ist nicht mehr der zuckersüße gutherzige Fratz wie in der berühmten Verfilmung mit Romy Schneider. Bei Autorin Karen Duve ist Sisi eine alternde Kaiserin, die die Angst vor dem Verlust ihrer legendären Schönheit quält. Für ihr Land interessiert sie sich wenig.
Stattdessen entflieht sie dem Wiener Hofstaat wann immer sie kann. Sie riskiert ihr Leben in wilden Treibjagden, heckt Intrigen und für ihre Umgebung vorteilhafte Heirats-Verbindungen aus. Eine launische, schwierige Herrscherin. Doch dann wieder betört sie alle mit ihrem Charme, und ihr perfekter Stil setzt sowieso Standards.

Buchcover: "Sisi" von Karen Duve
Autorin Karen Duve kratzt freudvoll am Kitsch-Mythos "Sisi" und widmet sich zugleich der Dekadenz der Monarchie. Schon in ihrem letzten Buch „Fräulein Nettes kurzer Sommer“ über die Dichterin Annette von Droste Hülshoff hat Duve sehr eindrücklich eine Epoche im Umbruch porträtiert.
Für ihren neuen Roman hat sie auch wieder aufwändig recherchiert und zahllose Originaldokumente, Briefe und Fachbücher über die Zeit gelesen. Sie zeichnet nun bis in kleinste Details Alltag, Regelwerk und Kultur des Wiener Hofstaates. So gelingt ein historischer Roman über eine faszinierend widersprüchliche Ikone und eine Gesellschaft, die längst dem Untergang geweiht ist.
Eine Rezension von Nicole Strecker
Literaturangaben:
Karen Duve: Sisi
Verlag Galiani Berlin, 2022
416 Seiten, 26 Euro