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Demian Lienhard über "Mr. Goebbels Jazz Band"

Autor im Gespräch

Demian Lienhard über "Mr. Goebbels Jazz Band"

Stand: 02.06.2023, 13:56 Uhr

Jazzmusik ist in Nazideutschland verpönt und gilt als "entartet". Und doch nutzt das Regime die Popularität der Musik für seine Propaganda. Josef Goebbels gründet eine Big Band, in der ausländische Musiker spielen, Homosexuelle und Juden. Der Faschist William Joyce, aus Großbritannien ins nationalsozialistische Deutschland geflohen, präsentiert ab 1940 im englischsprachigen Auslandssender NS-Propaganda und Jazzmusik – und die Briten lieben es.

Im April 1906 erblickt William Joyce in New York das Licht der Welt, als Kind eines katholischen Iren und einer protestantischen Engländerin. Der Junge wächst zunächst in Irland auf und kommt Anfang der 1920er Jahre nach London. Dort schließt er sich den Faschisten an, macht Karriere und flieht schließlich in das von Hitler regierte Deutschland.

Mit dabei ist Margaret, die er auf einer politischen Versammlung kennengelernt hat und später heiratet. In Berlin arbeitet William Joyce, der sich jetzt Fröhlich nennt, im Dienste der NS-Propaganda für das deutsche Auslandsradio. Er präsentiert die Musik der hochkarätig besetzten Big Band "Charlie and his Orchestra", international besser bekannt als "Mr. Goebbels Jazz Band".

Millionen von Briten schalten die Sendungen ein und kommen nicht nur in den Genuss großartiger Musik, sondern hören auch die Hasstiraden gegen die Alliierten von William Joyce. Die Geschichte und der Erfolg der Big Band soll zudem von einem literarischen Werk gekrönt werden.

Der Schweizer Schriftsteller Fritz Mahler bekommt den Auftrag, einen Roman über die Band zu verfassen und sie so unsterblich zu machen. Demian Lienhards Geschichte ist historisch belegt, jedoch ist jedes Wort zwischen den beiden Buchdeckeln Fiktion.

Der Schriftsteller Fritz Mahler arbeitet sich für seinen Roman durch die Vergangenheit von William Joyce, seine Karriere bei den britischen Faschisten, seiner Flucht vor Verfolgung in seiner Heimat und seiner Liebesgeschichte mit Margaret. Er beschreibt die Arbeit der Band und die Schicksale der Musiker und lässt sein Buch im Sinne der NS-Propaganda enden.

Die wahre Geschichte des Faschisten, der ins Nazideutschland flieht, dort Jazzsendungen moderiert, Musik, die verpönt, ja verboten ist, mutet absurd an. Demian Lienhard erzählt sie mit viel Witz und Ironie, mit Sinn für Details. Ein verrücktes Buch, das überrascht, bildet und die Wirkung und den Widersinn von Propaganda in feiner und präziser Sprache vorführt.

Eine Rezension von Susanne Wankell

Demian Lienhard über "Mr. Goebbels Jazz Band"

WDR 5 Bücher - Autoren im Gespräch 03.06.2023 12:40 Min. Verfügbar bis 01.06.2024 WDR 5


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Literaturangaben:
Demian Lienhard: Mr. Goebbels Jazz Band
Frankfurter Verlagsanstalt
312 Seiten, 24 Euro