Von Außen sieht das Leben der siebzehnjährigen Juli wunderbar aus: Sie ist ein Mathe-Ass und wohnt mit ihren wohlhabenden Eltern und drei Geschwistern in einer Villa. Aber hinter verschlossenen Türen sieht es anders aus: Der Vater prügelt Kinder und Ehefrau und schikaniert alle mit seinen hohen Erwartungen. Hilfe gibt es nicht, weil sowohl Mutter als auch Vater die Gewalt leugnen. Julis größte Stütze ist ihr älterer Bruder Bruno, den der Vater besonders drangsaliert. Nach dem Abi geht Juli nach Berlin und promoviert. Aber auch hier kann sie den alten Dämonen nicht entkommen. Einige Zeit später lernt sie Thilo kennen, der ihrem Vater recht ähnlich ist: kontrollsüchtig und fordernd. Juli ergibt sich voll und ganz in Thilos Welt und geht mit ihm in die Schweiz. Erst spät merkt sie, dass sie von einem ins nächste Gefängnis geflüchtet ist und sucht den Befreiungsschlag.
Den Großteil der Ereignisse erfahren wir aus Julis Sicht. Und die ist ungeschminkt, brutal, direkt und trotzdem ungemein verletzlich. Claudia Schumacher lässt uns so die psychischen Mechanismen und das Leid von Überlebenden häuslicher Gewalt hautnah miterleben. Und macht dabei deutlich, wie schwer es ist, Traumata aus der Kindheit zu überwinden. Der Erzählerin Juli folgt man dabei voller Mitgefühl, ist aber auch beeindruckt von ihrer Resilienz – und ihrem Galgenhumor.
Eine Rezension von Lina Brünig
Literaturangaben:
Claudia Schumacher: Liebe ist gewaltig
dtv, 376 Seiten, 22 Euro